In der Robert-Koch-Schule stand Rap auf dem Stundenplan . Der vom Abendblatt-Verein unterstützte Workshop weckte ungeahnte Talente.

An diesem Schulvormittag kommt es nicht auf Grammatik oder korrektes Schreiben an. Heute besteht der Unterricht für zwölf Schüler und eine Schülerin der Robert-Koch-Schule in Alsterdorf aus Reimen und Rhythmus. Die Zwölf- bis 16-Jährigen machen mit bei einem einwöchigen Rap-Workshop. Vor ihnen im Klassenraum steht, lässig mit einer ­Basecap auf dem Kopf, der Hamburger Hip-Hopper und Musikproduzent Marc Wichmann, Künstlername Sleepwalker. Eingeladen von Lehrerin Isabell Grünert zur Projektwoche der Schule mit dem Thema „Respekt“.

Dazu soll die Rap-Gruppe, ebenso wie alle anderen Gruppen der Projektwoche, ihre Arbeit zum Ende der Woche auf der großen Bühne in der Schulaula präsentieren. Eine Aufgabe, bei der so mancher Schüler über sich hinauswachsen wird, ahnt Isabell Grünert. Denn die Schüler der Robert-Koch-Schule, die dem Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ) angeschlossen ist, haben einen sogenannten sonderpädagogischen Förderbedarf. „Das sind Schüler mit Lernschwierigkeiten, die im Lernen und in der Sprache sowie in der emotionalen und sozialen Entwicklung besondere Unterstützung benötigen“, sagt Grünert. Für die Erst- bis Zehntklässler sind nicht nur Sonderschulpädagogen wie sie da, sondern auch Sozialpädagogen, Erzieher und gegebenenfalls Psychologen.

Doch in dieser Woche gibt bei den 13 Jugendlichen, die sich für den Rap-Workshop angemeldet haben, Sleepwalker den Ton an. Und das im wahrsten Sinn des Wortes. Sleepy, wie er von allen genannt wird, hilft den Jugendlichen dabei, einen Rap-Song zu schreiben. Mit Strophen, die aus je acht Zeilen bestehen, und einem Refrain, in dem es natürlich um „Respekt“ geht. Das geschieht in kleinen Arbeitsgruppen.

Sleepy setzt sich mal zu der einen, mal zu der anderen Gruppe und spricht mit den Schülern über mögliche Inhalte. Zuvor hat er ihnen erklärt, dass der Rap, der Sprechgesang, ein Bestandteil der Hip-Hop-Kultur ist. Er weiß, dass viele Schüler nur den derzeit trendigen Gangsta-Rap hören, in dem es um Autos, Frauen, Drogen und Gewalt geht. „Doch das sind nicht die Werte der Hip-Hop-Kultur“, sagt er. Ursprünglich ging es um soziale Ungerechtigkeiten in amerikanischen Gettos.

„Was sind eure Ziele, was wollt ihr mal werden, worin seid ihr stark?“, versucht Sleepy den Schülern eigene Ideen zu entlocken. „Wieso soll ich das sagen?“, fragt ein Junge zurück. Sleepys Antwort leuchtet den Schülern ein: „Wir brauchen Stoff für den Songtext und es soll nicht nur um hohle Phrasen gehen“, sagt er. Die Gedanken kommen in Fluss. Einige wollen Fußballer werden, einer Polizist. Die Kids sollen etwas aus ihrem Leben in den Song einbringen. „Sie sollen sich mit dem Song identifizieren“, sagt Sleepwalker. Kaum sind ein paar Stichworte auf dem Tisch, regt er die Schüler mit weiteren Einfällen an, eine Zeile zu dichten.

Zuweilen geht es unruhig dabei zu, zwei Jungen rempeln sich an, beschimpfen sich. „Die Kinder haben eine sehr enge Konzentrationsspanne, sie brauchen feste Strukturen und viele Pausen“, sagt Lehrerin Isabell Grünert. Sie hat mit den Schülern zu Beginn des Workshops darüber nachgedacht, was Respekt bedeutet. „Einander zuhören und dass die älteren Schüler Rücksicht auf die jüngeren nehmen“, waren zwei der Antworten. Der abstrakte Begriff füllt sich allmählich mit Inhalt.

„Es ist ein individuelles Thema, es bedeutet, nicht nur andere zu achten, sondern auch, Respekt vor sich selbst zu haben und gut mit sich umzugehen“, sagt die Lehrerin. Etwas, das die Schüler in ihrem Alltag manchmal sehr vermissen. Und hier sieht sie die Chancen des Workshops. „Jeder hat besondere Fähigkeiten und in diesem Kurs können sie das ausprobieren, sich anders erleben als sonst in der Schule“, sagt sie. Die Schüler, von denen manche unter schwierigen sozialen Bedingungen leben und viele einen Migrationshintergrund haben, seien oft frustriert, weil sie spezielle Förderung benötigten, „viele haben ein negatives Selbstbild“, sagt Grünert.

Deswegen sei es gut, wenn jemand von außen komme, der sie ganz anders anspreche. Und Sleepy hat nicht nur ihre Sprache drauf, er hat auch großes Verständnis für die Kids. „Ich bin selber ein paarmal von der Schule geflogen, aber ich hatte die Musik, das war für mich wie Therapie. Man braucht einen Kanal, über den man sich ausdrücken kann“, sagt der 44-Jährige, der seit mehr als 20 Jahren als Berufsmusiker und Produzent arbeitet und der als Trainer an der ­HipHop Academy Billstedt und an verschiedenen Schulen oft mit Jugendlichen zu tun hat.

Er versucht, etwas aus den Jugendlichen herauszuholen, ihnen zu vermitteln, dass sie nicht nur Schwächen, sondern auch Stärken haben. „In ihnen steckt so viel Potenzial, sie haben alle ihre eigenen Geschichten, das ist das Futter für große Rap-Songs“, sagt er. Aber man könne sie „nur an den Start setzen, laufen müssen sie selber“.

Der Anfang ist gemacht, am Ende des Vormittags sind gute Zeilen entstanden. Der Rap zum Respekt nimmt Form an. „Nach der Aufführung werden sie stolz sein auf das, was sie geleistet haben“, sagt Isabell Grünert. Für sie ist jetzt schon ein Erfolg sichtbar: „Es ist toll, wie sich die Schüler auf den Workshop einlassen, auch jene, die sonst eher Schwierigkeiten in der Schule haben“, sagt sie. Und sie freut sich, dass der Workshop auch dank einer Spende des Abendblatt-Vereins „Kinder helfen Kindern“ stattfinden kann.