Der Hamburger Verein UTE ermöglicht Menschen mit Behinderung, gemeinsam zu singen – auf den Balkonen ihrer Hausgemeinschaften

Als Mitte März die Corona-Krise unser Leben lahmzulegen begann, waren auch Einrichtungen für Menschen mit Behinderung davon betroffen: Von heute auf morgen waren die Bewohner isoliert und durften keinen Besuch empfangen. „Als ich mitbekommen habe, dass es in Hamburg Menschen in Wohneinrichtungen gibt, die seit dem Lockdown ihre Häuser nicht verlassen dürfen, dachte ich mir, dass es Zeit ist, etwas zu unternehmen“, sagt Lutz Meissner.

Hauptberuflich baut Meissner Rollstühle für Kinder und Jugendliche, in seiner Freizeit engagiert er sich in zahlreichen sozialen Projekten, singt in einem Chor – und ist Mitglied im Verein UTE. Normalerweise finanziert UTE Rampen für Orte, die dringend eine brauchen, oder organisiert Rolli-Skate-Workshops.

Das Projekt wird von Hamburger Abendblatt hilft e.V. gefördert

Nun ist ganz plötzlich ein Chorprojekt dazugekommen: Chorona, das auch vom Verein „Hamburger Abendblatt hilft“ gefördert wird. Die Idee dahinter: die Musik, die Freude des gemeinsamen Singens denen zu bringen, die seit Monaten keinen normalen Alltag mehr haben. Die nicht mehr arbeiten dürfen, auf Ausflüge verzichten müssen, die sich nicht auf Social Media zeigen. Aber die ja trotzdem erreichbar sind – zumindest von außen, über den Innenhof ihrer Einrichtung.

Hannah Simonis ist die musikalische Leiterin des Chorona-Projekts. Als Meissner im März mit seiner Idee auf sie zukam, zögerte sie keine Sekunde. „Für mich ist Musik so eine starke Sprache, ich wollte sie schon immer an Menschen bringen, die nicht übersättigt davon sind“, sagt Simonis. Vor vier Wochen machte sie sich zum ersten Mal auf, um vor den Balkonen der Hausgemeinschaft Gojenbergsweg in Bergedorf Lieder anzustimmen – einer Einrichtung von „Menschen mit Behinderung Hamburg“, in der 19 Menschen zwischen 20 und 55 Jahren mit den unterschiedlichsten Handicaps in Appartements leben.

Die Chorleiterin kommt alleine und bringt Instrumente mit

Das Repertoire wurde vorher mit ihnen abgestimmt, Gesangsmappen in den Häusern deponiert. Denn Hannah Simonis hat keinen Chor im Schlepptau, der im Innenhof die Menschen besingt. Die Menschen singen selbst. Und wie! „Wenn sich jemand sein Lieblingslied wünscht und es dann von allen angestimmt wird, das ist schon immer ein großer Moment“, sagt Simonis. Sie steht allein vor den Bewohnern, hat ein E-Piano, Gitarre und Verstärker dabei. Bezahlt wird sie für ihren Einsatz von UTE. „Es klingt vielleicht abgedroschen, aber es fühlt sich manchmal richtig heftig an: wie glücklich gemeinsames Singen macht“, sagt die staatlich geprüfte Sängerin.

Woche für Woche warten die Bewohner inzwischen im Gojenbergsweg auf Hannah Simonis, jeden Dienstag findet seit voriger Woche zudem im Innenhof der Hausgemeinschaft „Max B“ im Schanzenviertel – eine Einrichtung des Vereins „Leben mit Behinderung“ – ein gemeinsames Singen statt. Mit einer dritten Einrichtung sind die Initiatoren des Projekts derzeit im Gespräch.

Das Projekt Chorona sucht auch weiterhin Sponsoren, Tel. 89 00 39 79, weitere Infos über www.ute-ev.de/spenden