Hamburg. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten mehr Fahrräder und weniger Autos am Straßenverkehr teilnehmen. Zuletzt stiegen die PKW-Zahlen.

Allen Beschwörungen einer Mobilitätswende zum Trotz: Die Zahl der in Hamburg registrierten Kraftfahrzeuge steigt weiter. Am 1. Januar 2021 waren in Hamburg 799.434 Pkw angemeldet, wie der Senat jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Richard Seelmaecker mitteilte. Ein Jahr zuvor, am 1. Januar 2020, waren es noch 797.427. Die Zahl der registrierten Lkw wuchs im selben Zeitraum von 65.488 auf 70.319 und die der Krafträder von 53.025 auf 55.353. Für CDU-Politiker Seel­maecker ist das Signal klar: „Die Menschen wollen weiter mit dem Auto fahren.“

Immerhin lässt sich aber auch aus der Sicht von Klimaschützern und grünen Verkehrspolitikerin eine gute Nachricht aus den neuen Zulassungszahlen gewinnen: Die Zahl der reinen E-Autos verdoppelte sich, und auch ihr Anteil an allen Fahrzeugen nahm deutlich zu – wenn auch auf niedrigem Niveau. Waren am 1. Dezember 2019 noch lediglich 3682 dieser Fahrzeuge in Hamburg registriert, so sind es am 1. Januar 2021 mit 7553 bereits mehr als doppelt so viele gewesen.

Anteil E-Autos auf 0,94 Prozent gestiegen

Der Anteil der E-Autos an allen Pkw wuchs von 0,46 auf 0,94 Prozent. Zum Stichtag 1. Januar 2021 waren laut Senat zudem 16.199 Pkw mit Hybridelektro­antrieb und 7342 von außen aufladbare Hybridelektrofahrzeuge in Hamburg zugelassen. Auch hier gab es ein deutliches Wachstum: Am 1. Dezember 2019 hatte es lediglich 12.334 Pkw mit Hybridelek­troantrieb und 2372 von außen aufladbare Hybridelektrofahrzeuge gegeben.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat den Hamburger Senat derweil auch angesichts der immer weiter steigenden Pkw-Zahlen aufgefordert, den Autoverkehr deutlich stärker einzuschränken. Anders seien die im Hamburger Klimaplan Ende 2019 festgeschriebenen Ziele zum Klimaschutz nicht erreichbar. „Die Daten aus den letzten Jahren zeigen ganz klar: Es braucht eine radikale Verkehrswende und einen Schnitt mit der autogerechten Stadt. Sonst fehlen Hamburg schlicht die entscheidenden Antworten auf die Klimakrise“, sagte Hamburgs BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch dem Abendblatt.

Einschränkung des Autoverkehrs gefordert

„Fahrradstrategie und ÖPNV-Ausbau müssen einhergehen mit Maßnahmen für deutlich weniger Autoverkehr: Tempo 30 in der ganzen Stadt, deutlich weniger und dafür aber teurere Parkplätze und keine neuen Autobahnen wären ein guter Anfang. Aber davor scheut der Senat offenbar genauso zurück wie vor einer Kampfansage an die Kurzstreckenflüge am Airport Hamburg.“ Auf den grünen Verkehrssenator Anjes Tjarks warteten „politisch harte Zeiten“, sagte Braasch. „Fahrradwege wollen alle, aber sich in der notwendigen Konsequenz mit SPD, Flughafen und Autolobby anzulegen, ist eine echte Herausforderung.“

Der BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch.  (Archivbild)
Der BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. (Archivbild) © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf

Der BUND-Chef betonte, dass laut Klimaplan 25 Prozent aller Einsparungen beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) mit mehr als einer Million Tonnen vom Verkehrssektor erbracht werden müssten. Demnach solle der Umstieg vom motorisierten Individualverkehr (MIV) auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) 621.000 Tonnen CO2 bis 2030 einsparen. Der Wechsel vieler Menschen vom Auto aufs Fahrrad solle die Emissionen um 298.000 Tonnen reduzieren, der auf E-Fahrzeuge um 98.000 Tonnen.

Pkw-Bestand steigt auf 430 pro 1000 Einwohner

Allerdings seien die Herausforderungen enorm, zumal der ÖPNV zuletzt jedes Jahr gewachsen sei, der CO2-Ausstoß im Straßenverkehr aber gleichwohl etwa gleich blieb und die Emissionen im Verkehrssektor laut „Verursacherbilanz“ sogar weiter wuchsen. Vor allem im Flugverkehr seien die Zahlen vor der Corona-Pandemie gestiegen, so Braasch. Der BUND-Chef weist dabei auch darauf hin, dass der Anteil der Kurzstreckenflüge für Strecken unter 500 Kilometern am Hamburger Flughafen zuletzt bei rund 25 Prozent aller Flüge gelegen habe.

Im Straßenverkehr seien die Emissionen zuletzt mit rund 3,3 Millionen Tonnen pro Jahr zuletzt etwa gleich hoch geblieben. Die Zahl der Pkw-Anmeldungen seien zuletzt stetig gestiegen. „Waren laut Kraftfahrtbundesamt 2015 in Hamburg 750.510 PKW zugelassen, waren es 2019 schon 794.618“, so Braasch. „Damit steigt nach unseren Berechnungen trotz steigender Einwohnerzahlen der Pkw-Bestand von 420 auf 430 pro 1000 Einwohner.“ Dabei gehe das Umweltbundesamt davon aus, dass nur 150 Pkw pro 1000 Einwohner noch akzeptabel wären.

Klimaziele werden mit normalem Vorgehen unrealistisch

Zuletzt habe der Anteil des motorisierten Individualverkehrs in Hamburg bei 36 Prozent des gesamten Verkehrs gelegen. Es sei derzeit nicht klar, wie das Ziel erreicht werden solle, diesen Anteil binnen zehn Jahren auf rund 20 Prozent zu senken. Mit der Förderung des Fahrradverkehrs habe der Senat zwar einen richtigen Kurs eingeschlagen, so Braasch. „Da läuft einiges, und es ist der ökologisch sinnvollste Beitrag, was den gesamten Ressourceninput angeht. Aber das Ziel, von 15 Prozent Verkehrsanteil auf 25 bis 30 Prozent zu kommen, ist wenig realistisch.“ Diesen Anteil habe man etwa in Kopenhagen erst nach Jahrzehnten erreicht – und die Stadt habe nur etwa ein Drittel der Größe Hamburgs.

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Mithin: Die bisherigen Planungen seien teilweise unrealistisch und reichten daher nicht, um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen. Verkehrssenator Tjarks und Umwelt- und Klimasenator Jens Kerstan (Grüne) müssten jetzt sagen, wie es gelingen solle, den Autoverkehr innerhalb von zehn Jahren so stark wie angekündigt herunterzuschrauben und den Umstieg zu forcieren – gerade angesichts des durch die Pandemie ausgelösten Umstiegs vieler Menschen zurück aufs Auto. Aus Sicht des BUND reichten die bisherigen Angebote zum Umstieg nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Dafür müsse der Autoverkehr auch deutlicher eingeschränkt werden.