Hamburg. Ihre Alternativen: Zoom-Konzerte, Videos und CDs. Einige Vereine im Landgebiet haben es bei jungen Leuten grundsätzlich schwer.

Die Chorsänger in den Vier- und Marschlanden lassen sich auch vom zweiten Corona-Lockdown nicht unterkriegen. "Die Vorsitzenden halten ihre Chöre zusammen", sagt Marita Sannmann, seit 20 Jahren Vorsitzende des 16 Chöre starken Sängerkreises 5 (Vier- und Marschlande) im Hamburger Chorverband.

"Natürlich fehlt den Sängern, darunter viele Senioren, neben dem gemeinsamen Singen auch die Geselligkeit", sagt Marita Sannmann. Doch die Honorare der Chorleiter könnten bei allen Landgebiets-Chören weiter gezahlt werden. Denn die Sänger würden weiterhin monatlich ihre Mitgliedsbeiträge - durchschnittlich 15 Euro im Monat - zahlen. "Es gab keine Austrittswelle", sagt Marita Sannmann.

Chorsänger aus dem Landgebiet haben kreative Ideen

Die Chorleiter bedanken sich für die Treue auf verschiedene Weise: Zu Weihnachten bekamen etliche Chorsänger Briefe, Blumen und Präsente. Chorleiter nahmen CDs mit selbst gesungenen Weihnachtsliedern auf und verschenkten sie an "ihre" Sänger. "Ein Chor-Vorsitzender, der als Lehrer arbeitet, nahm eine CD mit mit Schulkindern auf", sagt die Sängerkreis-Chefin. Auf Youtube und in Zoom-Meetings bitten die Chorleiter zum Mitsingen. Kinder und Erwachsene können zu Hause - solo - ihre Stimmen trainieren, weil der Chorleiter sie in Filmclips digital am Klavier oder auf der Gitarre begleitet. Die benötigten Notenblätter liegen ihnen in der guten Stube vor. "So sind sie stimmsicher, wenn wieder gemeinsam gesungen werden darf", sagt Marita Sannmann.

Die Liedertafel Harmonia in Ochsenwerder, in der Marita Sannmann seit 1975 singt und deren Vereinsvorsitzende sie seit fast 40 Jahren ist, war beim "Singenden Adventskalender" des Chorverbandes auf Youtube zu erleben - hinter dem Türchen für den 16. Dezember. "Jeden Tag war ein anderer Hamburger Chor zu erleben. Zu hören waren CD-Aufnahmen, dazu wurden Fotos von den Chorsängern gezeigt."

Viele eigene Räume der Sänger waren meist zu klein

Im Sommer, zwischen den Lockdowns, als gemeinsame Chorproben unter strengen Auflagen wieder erlaubt waren, hätten viele Chöre im Freien, in Carports und Treibhäusern geprobt. "Andere Sänger trafen sich in kleinen Gruppen zum Klönen."

Als es dann Ende September abends wieder früher dunkel wurde und die Sänger drinnen proben wollten, habe es nicht selten Probleme mit geeigneten Räumen gegeben: Denn die eigenen Räume der Sänger waren meist zu klein, um die geforderten Abstände einhalten zu können. Einige Schulen stellten ihre Aulen zur Verfügung, andere Sänger wichen in Arbeitshallen ihrer Chorfreunde aus. "Natürlich haben wir das vom Chorverband erarbeitete Hygienekonzept strikt umgesetzt, also desinfiziert, Abstand gehalten, Protokoll geführt und regelmäßig gelüftet", sagt Marita Sannmann. Mithilfe des Verbands und der Hamburger Politik seien auch Räume angemietet worden, "aber in der City, das ist für unsere Sänger zu weit weg".

Bezirksamt half bei Ausstattung mit Desinfektionsmitteln

Die Stadt habe auch Finanzhilfen für die Anmietung von Räumen angeboten. "Das Bergedorfer Bezirksamt hat uns wiederum bei der Ausstattung mit Desinfektionsmitteln finanziell unter die Arme gegriffen. Das ging flott und unbürokratisch." Ein weiteres Lob hat Marita Sannmann für das Präsidium des Chorverbandes parat: "Es hält uns stets auf dem Laufenden, was die aktuellen Corona-Regelungen angeht, ist sehr engagiert."

Unabhängig von Corona haben nahezu alle Chöre mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. Vor zehn Jahren habe es im Landgebiet vier weitere Chöre gegeben, berichtet Marita Sannmann. Im vergangenen Jahr wurde der Damenchor Teutonia (Kirchwerder) nach 40 Jahren aufgelöst. In Hamburg sei das Chorsingen im Aufwind, auch weil Singen - in Zeiten ohne Corona-Pandemie - erwiesenermaßen gesund sei. Doch gerade jüngere Menschen würden sich nicht verpflichten wollen. "Sie mögen es lieber unverbindlich, wollen keinem Verein beitreten und singen etwa in einem Kneipenchor."

Auch die Events von "Hamburg singt" kämen gut an: Die an jedermann gerichteten Treffen würden oft mehr als 100 Sänger locken. "Da sind dann Musiker dabei, die den Chor begleiten, werden die Liedtexte per Beamer auf eine Leinwand projiziert." Seit April bietet "Der Chor für alle" Online-Singen an (Internet: hamburg-singt.de). Die Teilnahme ist kostenlos, Spenden erwünscht.

Repertoire vieler traditioneller Chöre hat sich inzwischen geändert

"Probleme haben die traditionellen, als Vereine organisierten Chöre", sagt Marita Sannmann. Neben der Verbindlichkeit schrecke potenziellen Nachwuchs oft auch das altbackene Image ab. Dabei habe sich das Repertoire vieler traditioneller Chöre inzwischen geändert: Einige Chöre singen vor allem Popsongs und in englischer Sprache, andere, wie etwa Marita Sannmanns Liedertafel Harmonia, hätten zumindest einige moderne Titel im Repertoire. "Wir singen auch Lieder von den 'Prinzen', von Frank Sinatra und Musical-Kompositionen."

Im Chorverband Hamburg sind mehr als 100 Chöre organisiert, in denen rund 3500 aktive Mitglieder singen. Mindestens ebenso viele weitere Chöre seien laut Marita Sannmann nicht in dem Verband organisiert, darunter zahlreiche Kirchen- und Kneipenchöre.

"Ihre" Sänger würden nun optimistisch in die Zukunft schauen und wieder mit der Planung von Konzerten beginnen. "Man muss ja ein Ziel haben", sagt Marita Sannmann und fügt hinzu: "Absagen kann man immer noch."