Das „Literarische Quartett“ kehrt zurück. Erinnerungen an die Zeit, als Marcel Reich-Ranicki plötzlich eine Idee hatte und ich dachte: Oh weh!

Im Herbst, vom 3. Oktober an, soll es das neue Literarische Quartett geben. Als „Gastgeber“ fungiert der Literaturkritiker Volker Weidermann, seine Mitstreiter sind die WDR-Moderatorin Christine Westermann und der Schriftsteller und Kolumnist Maxim Biller. Soweit die ZDF-Meldung.

Ich werde den Teufel tun, den Kollegen herablassend auf die Schulter zu klopfen oder aufmunternd mit dem Ellbogen in die Seite zu stoßen. Auch haben es alle nicht nötig, von mir vorgestellt und mit Ratschlägen versorgt zu werden, mit solchen aus der „guten alten Zeit“ nach dem Motto: Damals musste man den Tauchsieder noch ab und zu entkalken. Auch verklärende Erinnerungen sind nicht nötig. Reich-Ranicki ist eine erstaunlich quicklebendige Legende, und die Geschichte von dem spektakulären Ende, das auch ein neuer Anfang war, ist ausgiebig erzählt und wiedergekaut worden. Oder heißt es wiedergekäut?

Vielleicht beschränke ich mich auf ein paar Erzählungen (Opa, erzähl mal vom Krieg!), wobei für mich beim ersten Nachdenken nicht unerheblich ist, dass ich mich fragte: Waren die Sendungen am Anfang noch schwarz-weiß oder schon in Farbe? Ganz sicher jedoch weiß ich, dass das Quartett eine Fehlgeburt war. Oder besser: dass ich es für eine solche hielt.

Das Quartett war in der Vorstellung der ZDF-Kulturredakteure Dieter Schwarzenau und Johannes Willms und des „FAZ“-Kulturchefs Reich-Ranicki als Fortsetzung der Debatten der berühmt-berüchtigten Gruppe 47 geplant. Die war mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in Prag 1968 selbst unter den Rädern der Geschichte zermalmt worden. Der Ingeborg-Bachmann-Preis etablierte sich bis heute als eine Art Weiterleben. Ließe sich so etwas nicht auch im Fernsehen originär und originell veranstalten? Reich und die Redakteure entwickelten eine fantastische Idee. Das Quartett sollte eine Art Gerichtshof für Literatur werden, vor dem je ein Autor vorgeladen werden sollte. Zwei Kritiker sollten ihn verteidigen, zwei als Staatsanwälte der Literatur anklagen. Reich und die beiden Redakteure bezogen mich von der ersten Stunde an ein, und so erlebte ich vor allem am Telefon, wie sich einer nach dem anderen der eingeladenen Autoren selber wieder auslud. Nein, da machen wir bestimmt nicht mit, wir sind doch nicht lebensmüde! Wenn ich mich recht erinnere, waren Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Günter Grass und Martin Walser gefragt worden, jedenfalls wurde ich über deren Absage informiert.

Schließlich rief mich Reich-Ra­nicki an und krähte froh: „Ich habe eine bessere Idee! Wir machen das ohne die Autoren.“ Oh weh, dachte ich, das wird eine Totgeburt. Aber laut sagte ich nur: „Wenn Sie meinen …!“ Und das Quartett begann und hörte nicht mehr auf. Es war mein erstes Fehlurteil über diese und in dieser Sendung, die jetzt aus Ruinen zu neuem Leben auferstehen soll.