Ein Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll wird voraussichtlich am Donnerstag im sogenannten Zwischenlager Nord bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern eintreffen. Derartige Lieferungen gehen üblicherweise in die speziell dafür vorgesehenen zentralen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus. Dass vier Castor-Behälter nach Lubmin kommen, ist eine Ausnahme.

Wofür ist das Zwischenlager Nord eigentlich gedacht?

Das Zwischenlager Nord war ursprünglich nur für einen Zweck gedacht: den Atommüll aus den zwei stillgelegten DDR-Atomkraftwerken Lubmin und Rheinsberg aufzunehmen. Es liegt direkt am Standort des ehemaligen Reaktors Lubmin bei Greifswald und gehört den Energiewerken Nord (EWN) – einer Firma, die sich zu 100 Prozent im Besitz des Bundesfinanzministeriums befindet. In dem Komplex werden sowohl die Brennstäbe aus den früheren DDR-Atomkraftwerken als auch der weniger stark strahlende Schrott und Bauschutt aus deren Abriss gesammelt.

Was für Atommüll kommt nun zusätzlich nach Lubmin?

Die jetzt nach Lubmin gebrachten vier Castor-Behälter enthalten Brennstäbe aus früheren westdeutschen Kernforschungsprojekten. Anders als die Abfälle in Gorleben und Ahaus, die bis auf wenige Ausnahmen aus der Stromerzeugung in kommerziellen Kraftwerken stammen, gehören diese dem Staat. Es handelt es sich um das spaltbare Material aus einem früheren Forschungsreaktor in Karlsruhe, der Kompakten Natriumgekühlten Kernreaktoranlage (KNK), und dem atomgetriebenen Versuchsfrachter „Otto Hahn“, dessen Reaktor 1979 stillgelegt worden war.

Die KNK-Brennstäbe waren in den 80er und 90er Jahren in die französische Kernforschungsanlage Cadarache gebracht worden. Die Franzosen verlangten später die Rücknahme der 2413 Brennstäben. Die Stäbe der „Otto Hahn“ lagerten im Forschungszentrum Geesthacht nahe Hamburg und waren vor kurzem nach Cadarache gebracht worden, um sie dort zusammen mit den Karlsruher Brennstäben in die Castoren für Lubmin zu verladen.

Warum geht der Atommüll nicht nach Gorleben oder Ahaus?

Die Betreiber der Zwischenlager Gorleben und Ahaus erklärten sich 2003 nach Angaben der EWN „aus technischen Gründen“ außerstande, den zusätzlichen hochradioaktiven Atommüll des Bundes aufzunehmen. Die beteiligten Institutionen einigten sich deshalb 2004 darauf, die Atomforschungs-Rückstände aus Cadarache, Geesthacht und anderswo stattdessen nach Lubmin zu bringen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) änderte dafür 2010 die Aufbewahrungsgenehmigung der EWN. (afp)