„Hamburger Abendblatt hilft e.V.“ unterstützt die Velokurse speziell für Migrantinnen des Vereins ParkSportInsel in Wilhelmsburg

Im Inselpark in Wilhelmsburg sausen Kinder auf ihren Fahrrädern herum, viel langsamer und wackeliger geht es jedoch noch zu bei den erwachsenen Frauen, die auf einem großen Platz um Hütchen herumfahren. „Radfahren kann jeder! Das lernt man doch als Kind. Das dachte ich auch, als ich davon hörte, dass hier in Hamburg Frauen gesucht werden, die sich zur Radfahrlehrerin ausbilden lassen“, sagt Felicitas Gierse. Die 59-Jährige arbeitet für die Radfahrschule Elbinsel und bringt Frauen aus verschiedensten Kulturkreisen das Radfahren bei. Die Teilnehmerinnen kommen jeweils vormittags für zweiwöchige Intensivkurse in den Park, wo sich auch die Lagerräumlichkeiten und der Fahrzeugpool für den Unterricht befinden.

Der Verein ParkSportInsel bat um Hilfe für diese Fahrradkurse für Migrantinnen, „Hamburger Abendblatt hilft e. V.“ bezahlte bereits einige Kurse, auch 2022 unterstützt der Verein dieses Projekt weiterhin. Viele der Frauen, zum Beispiel aus dem arabischen oder afrikanischen Raum, saßen vorher noch nie auf einem Drahtesel. In ihren Kulturen gibt es Verbote, mit denen gerade Frauen daran gehindert werden, das Radfahren zu lernen.

Der Mythos, dass Radfahren unfruchtbar macht

In Deutschland dauert es dann häufig noch lange, bevor die Migrantinnen sich auf ein Fahrrad trauen. Erst wenn ihre Kinder schon gute Radfahrerinnen sind, kommen auch die Mütter in die Kurse. In Teilen Afrikas lernen viele Frauen das Radfahren gar nicht. Hier gibt es Mythen, mit denen sie vom Erlernen abgehalten werden. So wird ihnen beispielsweise erzählt, dass sie durch das Radfahren unfruchtbar würden. Dies wäre für eine afrikanische Frau dramatisch. Kinderlose Frauen werden oft geächtet, von ihren Ehemännern verlassen oder geschieden, sie sind öffentlichem Gespött ausgesetzt oder werden gar der Hexerei beschuldigt.

„Die Frauen, die das Radfahren schließlich erlernen, vollziehen häufig einen regelrechten Quantensprung. Das Radfahren hilft, überkommene Glaubenssätze zu überwinden sowie neue Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben“, sagt Beate Wagner-Hauthal, die die Radkurse 2018 als Geschäftsführerin von ParkSportInsel e. V. ins Leben gerufen hat. Seit diesem Jahr ist Nina Stahmer neue Vereinschefin, doch Wagner-Hauthal bleibt der Initiative verbunden.

Sprachvermittlung und Lebensbegleitung

Neben der Vermittlung der Radfahrtechnik würden die Kurse noch so viel mehr für alle Teilnehmerinnen bedeuten. „Sie sind zeitgleich Sprachkurs, fröhlicher Lebensort für zwei Wochen, Lebensbegleitung und Infostelle für Tipps zu allem Möglichen sowie der Beginn von Freundschaften, die bis jetzt fortdauern. Und schließlich haben wir über diese Frauen ihren Familien auch den Zugang zum Park und zu allen Angeboten dort geebnet. Wir sind sehr glücklich über den Verlauf der Kurse und auch wir haben viel gelernt“, berichtet Wagner-Hauthal sichtlich begeistert.

Für Frau Shantimayi aus Indien bedeutet das Radfahren „dazuzugehören. Hier in Deutschland können fast alle meine Freunde und Kollegen Rad fahren. Wenn ich gefragt wurde, ob ich bei einer Radtour mitkomme, habe ich mich geschämt und mochte nicht sagen, dass ich das nicht kann. Heute fahre ich fast jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit und wir machen Ausflüge und Touren gemeinsam mit Freundinnen.“

Eine tolle „Welt der Bewegung“ im Inselpark

Integration, Gesundheitsförderung und umweltfreundliche Mobilität sind wichtige Ziele der Bewegungsangebote des ParkSportInsel-Vereins, der inzwischen in neun Hamburger Parks Sportangebote hat. Der Verein entstand 2014 als Nachfolgeinitiative der Internationalen Gartenschau (IGS), für die der Wilhelmsburger Inselpark angelegt wurde. Neben Spielplätzen, Gärten, Wasserläufen und Teichen wurde damals auch die „Welt der Bewegung“ geschaffen mit einem Multifunktionsfeld, niedrigem Wasserbecken, angrenzendem Skatepark, einem Hochseilgarten und einer Kletterwand in der Nordwandhalle. Auf dem Multifunktionsfeld finden nun regelmäßig die Fahrradkurse statt.

Eine Teilnehmerin freut sich über das Zertifikat am Ende des Fahrradkurses
Eine Teilnehmerin freut sich über das Zertifikat am Ende des Fahrradkurses © Wichmann | wichmann

Beim Konzept der Radfahrschule Elbinsel wird das Radfahrenlernen als persönlicher Entfaltungsprozess begriffen, der alle Kursteilnehmerinnen in entspannter Atmosphäre in vielen kleinen Schritten, angstfrei und vor allem spielerisch zur Kunst des Radfahrens führt. Die Methodik wurde vom Hamburger Sportwissenschaftler Christian Burmeister entwickelt, der seit 1986 Radfahren unterrichtet.

Am Ende gibt es ein Teilnahme-Zertifikat

So steht das Thema Gleichgewicht in der ersten Woche im Fokus eines Kurses, zunächst wird auf Rollern geübt. „Bei der Arbeit ist mir wichtig, dass beim Lernen Gefühle der Angst da sein dürfen, zumal einige Frauen mit äußerst negativen Vorerfahrungen in den Kurs kommen. Unsere Aufgabe ist es, die Teilschritte in so kleine Unterteilschritte zu gliedern, dass jede dem nächsten Lernschritt gewachsen ist“, erklärt Radfahrlehrerin Gierse.

Das Radfahren selbst steht natürlich im Zentrum der Kurse, die im Idealfall mit der Überreichung eines Teilnahme-Zertifikats beendet werden. Zudem erhalten die Frauen eine Ergonomieberatung, Techniktipps und Empfehlungen für den Fahrradkauf. Amama B. aus Nigeria hat den Kurs erfolgreich absolviert und ist nun eine begeisterte Radfahrerin: „Ich konnte Auto fahren, aber Rad fahren noch nicht. Ich arbeite in der ambulanten Pflege und auch hierfür brauche ich öfter das Rad. Meine Kinder wollten schon lange Radtouren mit mir machen, das ist jetzt möglich. Für mich bedeutet Radfahren frei zu sein.“

ParkSportInsel e. V., Kurt-Emmerich-Platz 2, 21109 Hamburg, E-Mail: info@parksportinsel.de, Tel. 040/37421642, Ansprechpartnerinnen: Beate Wagner-Hauthal, Nina Stahmer. Weitere Infos: www.parksportinsel.de