32 Euro für ein „Star Trek“-Gewand: „Theaterkunst“-Ausverkauf lockt am ersten Tag 500 Besucher an. TV- und Filmfundus noch bis Mittwoch geöffnet.

Hamburg. Die ersten Frühaufsteher warten schon lange bevor der Ausverkauf im Kostümfundus „Theaterkunst“ am Montag um 8 Uhr beginnt. Drei Stunden später ist der Andrang so groß, dass Geschäftsführerin Susanne Franke aus Sicherheitsgründen die Tür absperrt – und nur noch dann Besucher hineinlässt, wenn andere die Räume im Tonndorfer Gewerbegebiet verlassen.

Die Wartenden nehmen es gelassen. Zu groß sind ihre Neugier und die Vorfreude darauf, gleich nach Herzenslust zwischen historischen Gewändern, Fantasie- und Showkostümen, Ballroben, Uniformen, Alltags- und Arbeitsbekleidung aus den vergangenen 100 Jahren stöbern zu können.

Susanne Franke und ihr Team, das für die drei Ausverkaufstage von acht auf zwölf Mitarbeiter aufgestockt wurde, haben alle Hände voll zu tun. Sie weisen den Besuchern den Weg in die Abteilungen, geben geduldig Auskunft zu den Kleidungsstücken und erstellen Rechnungen. „Nur für Beratungen fehlt uns die Zeit“, sagt Susanne Franke bedauernd. „Dabei entspricht das eigentlich nicht unserem Stil.“

In den Gängen des 2500 Quadratmeter großen Kostümverleihs herrscht reges Treiben. Menschen, bepackt mit Pelzjacken, Kleidern und Hemden, Science-Fiction-Kostümen, Weihnachtsmannmänteln und Engelsflügeln schieben sich aneinander vorbei. Und es sind nicht nur Frauen, die beim Anblick der dicht behängten Kleiderstangen in Ekstase geraten. Männer in Boxershorts probieren Hosen und Anzüge an, andere klettern auf Leitern, um an den oberen Kleiderstangen Smokinghemden, Dinnerjackets oder Mäntel zu inspizieren, andere suchen nach Kostümen für den Karneval. Kaum einer geht mit leeren Hände. Auch wer „nur gucken“ wollte, wird von dem einen oder anderen Schnäppchen zum Kaufen verführt.

Kein Wunder bei dem umfangreichen Angebot: Von rund 650.000 Artikeln aus nationalen und internationalen Film- und Fernsehproduktionen muss sich die „Theaterkunst“ trennen, die wegen rückläufiger Auftragszahlen den Hamburger Standort schließt.

Im ersten Stock geht Gabriele Gröbel durch die Gänge. Sie ist aus der Schweiz angereist, um Kleidung aus den 20er- bis 50er-Jahren und historische Kostüme zu ergattern. „Wir müssen unseren Fundus vergrößern“, sagt die Leiterin der Kostümabteilung des Theaters Biel-Solothurn. An einer fahrbaren Kleiderstange hängt, was dort demnächst bei den Aufführungen „Maskenball“ und „Figaro“ zu sehen sein wird: Damenfräcke, Abendkleider, Schuhe und Damenkostüme. Immer wieder findet Gabriele Gröbel neue Stücke, die sie begeistern. „Wenn ich im Lotto gewonnen hätte“, sagt sie, „würde ich den ganzen Laden kaufen.“

Auch die Hamburgerin Romana Burgemeister, die auf St. Pauli einen Secondhand-Shop betreibt und als DJane arbeitet, ist im Kaufrausch. Ihren Mann hat sie in die Abteilung für Hemden und Jacken geschickt, damit sie sich selber in Ruhe bei den Damenkleidern umschauen kann. Zu ihrer „Beute“ zählt ein rosafarbenes Kleid mit weißer Spitze am Ausschnitt. „Ein Bühnenkleid, das nach einer Vorlage aus der Jahrhundertwende geschneidert wurde“, sagt die junge Expertin. „Wahrscheinlich in den 60er-Jahren, das sehe ich am Stoff.“ Zu den 14 Kleidern, die sie kaufen wird, gehört auch ein rotes langärmeliges Kleid aus den 1920er-Jahren. „Eine seltene Farbe. Üblicherweise trugen die Frauen in dieser Zeit Schwarz“, weiß Romana Burgemeister.

Elisabeth Cerbe wird demnächst Silber tragen; sie hat für sich und ihren Mann in der Abteilung für Fantasie- und Showkostüme zwei futuristische Gewänder erstanden, die an „Star Trek" erinnern. „Perfekt für den nächsten Karneval“, sagt sie. Und ein Schnäppchen, bemerkt sie beim Blick auf die Preisliste, die ihr am Eingang ausgehändigt wurde. 32 Euro muss sie für den glänzenden Einteiler und das mit silbernen Kordeln verzierte Wams, an dem ein Umhang befestigt ist, bezahlen.

Elfi Weiss kommt mit Enkelin Juschka aus der Uniform-Abteilung. Sie hat sich eine grün-weiße Polizeimütze aufgesetzt. „Wir sind Fans der Serie ‚Großstadtrevier‘. Die hier“, sagt sie und tippt an ihre Kopfbedeckung, „hat dort mitgespielt.“ Peter Kroll hat eine Mütze von der Hochbahn gekauft und die passende Jacke dazu. „Die Hochbahn ist mein Hobby“, sagt er. Meist kauft er über Ebay; doch hier die Dinge anfassen zu können macht weitaus mehr Spaß.

Ein weiterer Besucher hat eine Pilotenuniform gefunden, die er beim nächsten Karneval anziehen wird: „Eine gute Alternative zu dem Aldi-Süd-Kittel, den ich sonst trage“, sagt er. In seine Freude über die neue Kostümierung mischt sich auch Bedauern darüber, dass der Fundus schließt und die Mitarbeiter diesen Arbeitsplatz verlieren. „Man merkt, wie sehr sie an den Sachen hängen“, hat er beobachtet.

Jetzt will er sich noch in der Abteilung für historische Gewänder umsehen. Dort probiert Sandra Hoppe gerade eine braun-grün-violette Biedermeier-Tracht an. „Was für eine tolle Verarbeitung“, sagt sie und begutachtet Stoff und Nähte. Leider ist der zierlichen Frau die Korsage zu eng; mit Bedauern hängt sie das Kostüm zurück.

Bei Peter Paul Dahms kann nichts kneifen: Er hat sich für einen blauen, mit lilafarbenen Blumen bestickten Mandarin-Umhang entschieden. Den will der Maler künftig auf Ausstellungen oder anderen Veranstaltungen tragen. „So ein Gewand passt zu meiner Malerei – die ist teilweise auch asiatisch inspiriert“, sagt er. Sein Freund, ein Zeichner mit dem Pseudonym Y, probiert gerade eine Franziskaner-Mönchskutte an. „Streng und introvertiert, das passt zu mir“, sagt er und fügt lachend hinzu: „Wir müssen von Berufs wegen verrückt herumlaufen.“

Spaß und gute Laune – das hatten so gut wie alle Besucher am ersten Ausverkaufstag. „Wir sind begeistert von der großen Freude unserer Kunden“, sagt „Theaterkunst“-Leiterin Susanne Franke.

Auch mit der Resonanz ist sie zufrieden: Fast 500 Menschen waren am Montag schon zum ersten Ausverkaufstag nach Tonndorf gekommen. Viele zufriedene Besucher – das wünschen sich Susanne Franke und ihr Team auch für die nächsten Tage.

„Theaterkunst“, Rahlau 14 (Tonndorf), Di und Mi 8 bis 16.30 Uhr