Aus für “Tinas Ranch“: Reitlehrerin Tina Lutz räumt die Koppel im Stadtteil Tonndorf. Dort sind Reihenhäuser und Stadtvillen geplant.

Hamburg. Generationen von Kindern und Jugendlichen haben hier auf dem Schulweg angehalten, Pferde gefüttert, gestreichelt oder Reiten gelernt. Jetzt verschwinden die letzten acht Pferde aus Tonndorf. "Tinas Ranch" zieht am Sonntag vom Sonnenweg nach Schleswig-Holstein um.

Noch ist die idyllische Koppel zwischen Kupferteich, Berner Au und Wandse Teil des Landschaftsschutzgebiets. Bald soll sie mit 100 Wohnungen in sogenannten Stadtvillen und Reihenhäusern bebaut werden. Pächterin Tina Lutz, die seit 2002 auch Reitunterricht gegen Futterspenden gab, ist traurig: "Ich hätte die Wiese gerne als Weideland gekauft, aber nicht als Bauland." Gegen die Kündigung hat sie nichts unternommen. Sie ist froh, einen neuen Reitplatz in einem kleinen Ort außerhalb Hamburgs gefunden zu haben.

Anwohner befürchten die Zerstörung eines Naturparadieses am Sonnenweg. Sie sorgen sich um an die Koppel angrenzende Biotope, in denen gerade erst der Eisvogel, Fledermäuse, Füchse, Eulen, Bussarde und Graureiher heimisch geworden sind. "Endlich haben sich nach langer Zeit viele Wildtiere neu angesiedelt. Eine Großbaustelle würde sie wieder zurückdrängen", sagt Anja G., die ein weiteres Problem ins Spiel bringt: den ungewöhnlich hohen Grundwasserspiegel in der Gegend, die nicht umsonst "Tonndorfer Feuchtwiesen" heißt.

Anja G. warnt: "Mehrere Anwohner in unmittelbarer Nachbarschaft sind auf ihre selbst gebohrten Brunnen zur Trinkwasserversorgung angewiesen. Wenn der Grundwasserspiegel für den Neubau abgesenkt wird, drohen die Brunnen zu versiegen."

Auch Julia Bode, die direkt an der Pferdekoppel groß wurde und heute noch in der Nähe wohnt, sagt: "Das Großprojekt reißt einen funktionierenden Grünzug, der auch als Naherholungsgebiet dient, aus den Fugen. Das Grundstück könnte man sicher auch umweltverträglicher gestalten oder gleich zur öffentlichen Grünanlage umwandeln." Dafür ist es offenbar zu spät, auch wenn der gültige Bebauungsplan von 1959 hier sehr wohl öffentliche Grün- und Parkanlagen vorsieht. Fest steht: Der Bezirk Wandsbek will dort Wohnungen errichten lassen und den Bebauungsplan entsprechend ändern. Ein erster Entwurf, der Ende 2011 veröffentlicht wurde, sieht acht Mehrfamilienhäuser ("Stadtvillen") und fünf Reihenhauszeilen sowie zwei große Tiefgaragen vor. Eine neue Straße soll die heutige Pferdekoppel parallel zum Sonnenweg in zwei Hälften teilen.

Doch der Entwurf steht auf dem Prüfstand - und der Baubeginn in den Sternen, denn auch die Behörden haben erkannt, dass der Neubau dem Biotop an der Berner Au bedrohlich nahe käme. Ulrike Nowicki, Sprecherin des Bezirksamts Wandsbek: "Das städtebauliche Konzept wird seit der Veröffentlichung in Abstimmung mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt überarbeitet. Ziel ist es, einen größeren Abstand zum Grünzug der Berner Au zu gewährleisten und dabei die Grundstruktur des städtebaulichen Konzepts zu erhalten." Zudem seien Fachgutachten zur Oberflächenentwässerung, zum Verkehr und zur Lärmbelastung in Arbeit. Nowicki: "Die öffentliche Auslegung des Bebauungsplanentwurfs ist für nächstes Jahr geplant."

Der hohe Grundwasserspiegel sei dem Bezirksamt bekannt. Ulrike Nowicki: "Er muss während der Bauzeit für die Errichtung der Tiefgaragen und Keller abgesenkt werden." Nach Ende der Tiefbauarbeiten werde sich der "normale" Grundwasserstand wieder einstellen, da eine dauerhafte Drainage nicht zulässig sei. Die Grünanlagen in der Umgebung sollen nach dem Willen der Behörden gleichzeitig "aufgewertet" werden. Nowicki: "Die geplante Bebauung führt zu einem Eingriff in Natur und Landschaft, der ausgeglichen werden muss. Der schützenswerte Großbaumbestand bleibt im Wesentlichen erhalten." Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt werde das Landschaftsschutzgebiet "neu ordnen".

Käufer der rund 12.000 Quadratmeter großen Pferdekoppel am Sonnenweg (Ecke Kupferdamm) ist die Hamburger Firma Behrendt Wohnungsbau, die 60 bis 120 Quadratmeter große Wohneinheiten plant.

Behrendt-Sprecherin Martina Rieckmann sagt, man werde die Sorgen der Anwohner berücksichtigen: "Die von uns geplante Neubau-Wohnanlage mit circa 100 Wohnungen wurde seit dem 2011 veröffentlichten Entwurf weiterentwickelt und sieht eine stärkere Berücksichtigung des Bereiches um Feuchtwiesen, Wasserlauf und Wanderweg vor. Die Bebauung wird etwas weiter östlich gen Sonnenweg gerückt." 30 Prozent der Wohnungen sollen eine öffentliche Förderung erhalten. Der Baubeginn sei "frühestens für Sommer 2014" geplant.

Auch wenn am Sonnenweg noch nicht einmal ein Bauantrag gestellt wurde und somit die Baugenehmigung fehlt, ist Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff optimistisch, dass Wandsbek die ehrgeizigen Wohnungsbaupläne des SPD-Senats erfüllen kann. Ritzenhoff zum Abendblatt: "Mit dem 'Vertrag für Hamburg' hat Wandsbek sich verpflichtet, pro Jahr durchschnittlich 1100 Wohneinheiten zu genehmigen, das sind gut 18 Prozent der insgesamt festgesetzten 6000 Baugenehmigungen."

Bis zum 20. September habe das Bezirksamt Wandsbek schon 1046 Baugenehmigungen erteilt. Ritzenhoff sagt: "Ich gehe davon aus, dass es uns - wie bereits 2011 - gelingt, das festgelegte Ziel bis Ende des Jahres zu erreichen."