An der Wandsbeker Chaussee haben viele Händler ihre Geschäfte aufgegeben. Gründe für die Schließungen gibt es einige.

Hamburg. Der Schlachter hat vor gut einem Monat geschlossen. Fast zeitgleich hat zehn Meter weiter der Gemüsehändler aufgegeben. Und wenn man nur 100 Meter Richtung Innenstadt geht, dann sieht man noch vier leere Läden. Damenmoden, Miederwaren, Fotoatelier, Apotheke - alles Geschichte.

"Das ist ein schwerer Schlag", sagt Uwe Becker. Er ist der Sprecher der IG Einkaufsmeile Eilbek, der Interessengemeinschaft der Einzelhändler an der Wandsbeker Chaussee. Und er würde so gern positive Nachrichten verbreiten, doch im Moment kann er das nicht.

Dabei sind sie doch eigentlich mittendrin in der Großstadt. Zwischen Wandsbek und Hohenfelde, zwischen Hamm und Barmbek. Dicht besiedelt sind die Quartiere, viele junge Familien wohnen hier, aber auch viele Senioren. Und die trifft es besonders hart, wenn die Händler aufgeben. "Die Jungen, die können in Wandsbek-Markt oder an der Hamburger Straße einkaufen", sagt Peter Krack. "Aber die Alten, die haben jetzt ein Problem." Peter Krack betreibt mit seiner Frau Renate ein Juweliergeschäft an der Wandsbeker Chaussee. 1898 wurde es eröffnet, von seinem Großvater. "Wenn es nur um den Umsatz ginge, müssten wir woanders hin", sagt er.

Doch er sei nun mal in Eilbek geboren und verwurzelt. Wenn eine ältere Witwe in den Laden komme und um Hilfe bei einer Überweisung bitte ("Sie sind doch Geschäftsmann"), dann "wird mir wieder klar, dass wir hier auch eine soziale Funktion haben".

Der Begriff der "Einkaufsmeile" ist übrigens nicht übertrieben. Auf den beiden Seiten der sechsspurigen Bundesstraße ist Laden an Laden, darüber in den meist viergeschossigen Rotklinkerbauten sind Wohnungen. Geschäfte gibt es immer noch viele, doch mit der Mischung passt es nicht mehr so. Spielhallen sind dazugekommen, Sonnenstudios, Ein-Euro-Läden. Den berühmten "täglichen Bedarf" zu decken ist dagegen schwierig geworden. Warum haben die Kaufleute denn aufgegeben? "An den Mieten liegt es nicht", sagt Krack. Zu hohe Umsatzerwartungen, falsche Konzepte, Alter und auch mal falsches Personal. Es gibt viele Gründe.

Einer ist sicherlich das Ambiente. Denn es sieht arg trostlos aus an der Wandsbeker Chaussee. Die Gehwegplatten kommen raus und haben so manchen nach einem Sturz schon ins Krankenhaus gebracht. Grün gibt es kaum, die Betonkübel sind nicht bepflanzt - wenn man vom Unkraut einmal absieht. Die Eingänge zu den U-Bahn-Stationen könnten auch Farbe gebrauchen. "Und noch viel dringender Aufzüge", sagt Uwe Becker.

Und dann erzählt Krack die Geschichte vom Wegewart, der sich die Gehwegplatten angesehen und nachgemessen hat: 2,9 Zentimeter hoch sei die Stolperfalle. Ab 3,0 Zentimetern dürfe man einschreiten. Aber Geld sei sowieso nicht da, habe er dann noch gesagt.

Wenn sie sich stiefmütterlich behandelt fühlen hier in Eilbek, dann haben sie nicht ganz Unrecht. "Drüben in Wandsbek, da ist es richtig schick geworden", sagt Becker.

In der Tat: Wandsbek-Markt wurde kräftig aufgehübscht in den vergangenen Jahren. Versucht haben sie einiges, um auch Eilbek attraktiver zu machen. Die Bänke, die haben sie selbst aufgestellt. Über ein BID haben sie nachgedacht, einen Business Improvment District. Das heißt: Die Eigentümer nehmen Geld in die Hand, investieren in die Umgestaltung von Straßen und Wegen und haben dann auch weitergehende Rechte, etwa bei der Bewirtschaftung der Parkplätze. "Doch das funktioniert hier nicht", sagt Becker. Denn viele der Häuser gehören Gesellschaften, die irgendwo weit weg sitzen, oder Privatleuten, die nicht in Hamburg leben. "Und die haben kein Interesse daran."

Kein Interesse, das ist auch der Vorwurf, den sie dem Bezirk gemacht haben. "Bei Frau Schroeder-Piller hatten wir das Gefühl, überhaupt nicht zum Bezirk Wandsbek zu gehören", sagt Uwe Becker. An ihren Nachfolger als Bezirksamtsleiter, Thomas Ritzenhoff, knüpfen sie große Hoffnungen. Ritzenhoff hatte sich weit aus dem Fenster gelehnt und Eilbek "den Szenestadtteil der Zukunft" genannt. Der Stadtteil habe alle Voraussetzungen, sich positiv weiterzuentwickeln. Ritzenhoff zum Abendblatt: "Wir nehmen auch die Leerstandssituation an der Wandsbeker Chaussee wahr und verstehen die Sorgen der Interessengemeinschaft. Es ist Aufgabe aller, der Immobilieneigentümer, Gewerbetreibenden und Bewohner, Ideen für ihren Stadtteil zu entwickeln und umzusetzen."

Dass etwas geschehen muss, darüber sind sich alle einig. Das ziehe dann auch attraktivere Läden an. Und dann könnte es irgendwann etwas werden mit dem Szenestadtteil. Zunächst aber wären ein Schlachter und ein Gemüsehändler schon mal nicht schlecht.