Eine Obstwiese wurde angelegt, der Golfplatz erweitert, ein Weg gesperrt. Die Folge für die Reiter: “Welt ist wie mit Brettern vernagelt“

Hummelsbüttel. Vom Rücken der Pferde sieht die Welt bekanntlich ein bisschen anders aus. Besonders die Welt in Hummelsbüttel. Dort ist sie nach Meinung vieler Einwohner noch ein bisschen mehr in Ordnung als anderswo, es gibt Bauernhöfe, viel Horizont und vor allem viel Natur. Auch Gabriele Stelter sieht, wenn sie durch ihren Stadtteil reitet, eigentlich Wiesen, Wälder, sattes Grün. In letzter Zeit aber hat sich die Sicht verändert. In letzter Zeit sieht Gabriele Stelter vor allem Hindernisse.

Stelter ist Mitglied der Reitergemeinschaft am Raakmoor. Früher, sagen die Mitglieder, war Wandsbek ein Paradies für Pferde. Heute versperrten Golfplätze und Naturschutzgebiete den Weg. Bis vor wenigen Jahren noch konnten Stelter und ihre Mitreiter problemlos von Moor zu Moor gelangen und direkt in der Nachbarschaft zum idyllischen Kupferteich. Dann wurde eine Streuobstwiese angelegt und ein Golfplatz erweitert.

"Plötzlich war die Welt für uns wie mit Brettern vernagelt", sagt Stelter. Das Wandsbeker Reitwegenetz, klagen die Reiter, wird durchlöchert. Ein regelrechter Kampf um die Grünflächen habe sich entwickelt. Er wird nicht aggressiv geführt, aber mit Herz. Denn auf jeder Seite sind Leidenschaften im Spiel.

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Oft liegen sie gar nicht so weit auseinander. Alle Beteiligten eint die Liebe zur Natur, die Golfer brauchen sie, um lange Bälle zu schlagen, die Naturschützer möchten, dass die Vögel brüten können. Die Reiter wiederum wollen nicht nur auf quadratischen Koppeln, sondern auch im freien Gelände reiten. Weil die Verbindungswege gekappt werden, sehen sie sich aber in immer engere Räume gezwängt. Statt ausgedehnter Tagesausflüge, sagen sie, seien sie nun zu immergleichen Runden gezwungen. Die einzige Wahl, die ihnen bleibe, sei die zwischen rechts- oder linksherum.

Christiane Hansen hat es besonders hart getroffen. Ihr Reiterhof liegt zwischen Hummelsee und Kupferteich, es ist die Verbindungsstrecke zwischen Raakmoor und Wittmoor, bis vor dreieinhalb Jahren waren die Wege hier ungestört. Dann wurde am Hummelsee eine Streuobstwiese als Naturschutzgebiet angelegt und mit Stacheldraht gesichert, der entlangführende Weg zum Gehweg verengt.

Die Wiese in Richtung Kupferteich wurde zum Golfplatz eines nahe gelegenen Hotels umgewandelt, der parallel verlaufende Weg ist ebenfalls für Reiter gesperrt. "Zu beiden Seiten haben sie uns die Wege genommen", sagt Christiane Hansen. "Wir wissen gar nicht mehr, wo wir noch reiten sollen."

Dörte Mohr vom Reitstall Mohr hat schon Kunden verloren - ins nahe gelegene Norderstedt, wo Wegenetz und Reitwelt noch in Ordnung sind. Seit ihrer Geburt lebt die 44-Jährige auf dem Hof, der schon den Großeltern gehörte. Früher war es ein reiner Bauernbetrieb, heute setzt sie komplett auf die Pferde. "Von der Landwirtschaft könnten wir gar nicht mehr leben", sagt sie.

"Wir sind auf die Reitwege angewiesen und haben nun wirklich Einbußen. Viele Betriebe haben Angst um ihre Zukunft."

Vor vier Jahren haben die Reitbetriebe daher begonnen, das Konzept eines zusammenhängenden Reitwegenetzes in Wandsbek zu erarbeiten. Von "Wiederherstellung" sprechen die Reiter. Die Naturschutzverbände sprechen von "Ausweitung". Vieles, was im ersten Konzept enthalten war, ging ihnen zu weit.

"Im Prinzip war das eine reine Auflistung der Reiterwünsche", sagt Wolf Baus vom Nabu, der die Verhandlungen begleitet hat. "Es sollten nicht nur alte Wege wiederhergestellt, sondern auch neue geschaffen werden. Die Reiter können ja gerne auf den bereits vorhandenen Reitwegen reiten. Aber wir wollen, dass die Natur da geschützt wird, wo sie noch vorhanden ist."

Vor allem um den Duvenstedter Brook, seit mehr als einem halben Jahrhundert Naturschutzgebiet, gibt es immer wieder Diskussionen. Bisher ist er Pferden zum allergrößten Teil verwehrt. Von einem "wunderschönen Gebiet" und "tollen Reitmöglichkeiten" schwärmt Gabriele Stelter. "Das wichtigste Naturschutzgebiet überhaupt", sagt dagegen Wolf Baus.

"Da kann man doch nicht einfach quer durchreiten. Das ist völlig illusorisch." In langen Gesprächen haben sich Reiter und Naturschutzverbände zwar angenähert und nach Kompromissen für jeden Weg, für jede Brücke gesucht. In vielen Fällen ist es gelungen, Ende 2011 stand ein modifiziertes Konzept. Passiert ist seither aber nichts. Das Konzept wurde zwar als Nachrücker ins Arbeitsprogramm 2012 des Bezirks aufgenommen.

"Aufgrund anderer prioritärer Projekte wird die Umsetzung derzeit aber nicht vorrangig verfolgt", sagt Bezirksamtssprecherin Ulrike Nowicki.

Die Reiter wollen jetzt selbst tätig werden. Sie haben eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um Schilder zu finanzieren und wenigstens die konfliktfreien Stellen anzugehen. "Wir warten darauf, dass sie mit konkreten Vorschlägen auf uns zukommen", sagt Baus.