Hamburg. Jubiläum: Das Ronald McDonald Haus bietet Familien ein Zuhause auf Zeit in Hamburg Eppendorf. Sie erfahren Halt in schweren Zeiten.

Etwas müde, aber mit einem Lächeln im Gesicht, sitzen Alona und Vladyslav Plavelskyy im großen Garten des Ronald McDonald Hauses in Hamburg Eppendorf und schauen sich die aktuellsten Bilder ihrer kleinen Tochter auf dem Handy an. Die kleine Adriana kam in der 24. Woche am 5. Mai als Frühchen auf die Welt. Gerade einmal 1050 Gramm wog sie, konnte noch nicht selbstständig atmen, hatte eine Gehirnblutung – ihr Zustand war kritisch. Das Ehepaar war gerade erst ein paar Tage zuvor in Stade angekommen, nach einer albtraumartigen Flucht aus dem umkämpften Mariupol in der Ukraine.

Mehr als einen Monat hatten sie im Keller ihrer Wohnung bei minus zehn Grad, ohne Wasser, Strom und Kontakt zur Außenwelt gelebt und eine kurze Waffenpause genutzt, um mit ihrem Auto zu fliehen. Der Stress der Flucht und die mangelhafte Ernährung verursachten vermutlich die Frühgeburt. „Meine Tochter kam im Krankenhaus in Stade zur Welt, wurde dann mit dem Helikopter ins UKE geflogen, ich folgte mit dem Rettungswagen“, erzählt die 22 Jahre alte Mutter.

Der Vater übernachtete im Auto vor der Klinik

Für ihren Mann gab es keinen Platz im Krankenzimmer, er wusste nicht, wohin er sollte, übernachtete vor dem UKE zunächst im Auto. Eine Stationsschwester vermittelte das Paar dann an das Ronald McDonald Haus. Seit fast drei Monaten wohnen sie nun nur ein paar Gehminuten von der Klinik entfernt in einer der 13 Wohneinheiten. „Dieser Ort ist unglaublich schön, unser Anker. Wir können hier nicht nur schlafen und uns etwas zu essen machen, sondern auch nach den langen Tagen bei unserer Tochter einfach mal durchatmen“, sagt Vladyslav Plavelskyy (45).

Das Baby von Vladyslav Plavelskyy und seiner Frau Alona kam als Frühgeburt auf die Welt, sie wohnen im Ronald McDonald Haus und besuchen ihre Tochter täglich im UKE.
Das Baby von Vladyslav Plavelskyy und seiner Frau Alona kam als Frühgeburt auf die Welt, sie wohnen im Ronald McDonald Haus und besuchen ihre Tochter täglich im UKE. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Genau dafür ist diese Einrichtung, die diesen August ihr 25. Jubiläum feiert, errichtet worden. Das Ronald McDonald Haus ist ein Zuhause auf Zeit für Familien, deren schwer kranke Kinder im UKE behandelt werden. Mehr als 5100 Familien hat die Einrichtung im vergangenen Vierteljahrhundert betreut.

Unbürokratische Vermittlung

Carolin Cords leitet das Ronald McDonald Haus seit 2009. Sie ist neben der Leitung vor allem auch für die Spendenakquise zuständig, denn das Haus wurde zwar von der McDonald’s Kinderhilfe Stiftung gebaut, aber der Unterhalt muss sich zu zwei Dritteln aus Spenden finanzieren, ein Drittel kommt über die Übernachtungskosten von 22,50 Euro pro Tag und Einheit rein.

Die meisten Bewohner auf Zeit werden, so wie das Ehepaar Plavelskyy, ganz unbürokratisch über die Stationsleitungen an das Haus vermittelt. „Die rufen zum Beispiel aus der UKE-Onkologie an und fragen, ob wir nächste Woche die Familie eines Kindes, das eine Chemotherapie bekommt, beherbergen können. Das ist dann planbar, aber oft muss es auch ganz schnell gehen, wenn der Rettungshubschrauber ein Spenderorgan für ein Kind gebracht hat und dann die Eltern sofort eine Unterkunft in der Nähe benötigen,“ sagt Carolin Cords in der aktuellen Folge des Abendblatt-Podcasts „Von Mensch zu Mensch“.

Das Ronald Mc Donald Haus in Eppendorf wird von Carolin Cords geleitet. Sie spricht darüber im Podcast Von Mensch zu Mensch.
Das Ronald Mc Donald Haus in Eppendorf wird von Carolin Cords geleitet. Sie spricht darüber im Podcast Von Mensch zu Mensch. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Die Eltern können so lange im Einraum-Appartement mit Bad bleiben, wie sie es brauchen. Im Durchschnitt wohnen sie dort 24 Tage, der längste Aufenthalt war 85 Wochen. „Das war Pauline, sie kam zu uns als Kleinkind und hatte einen Gehirntumor, dessen Behandlung sehr langwierig war. Wir haben mit ihr zwei Geburtstage und zwei Weihnachten hier im Haus gefeiert. Inzwischen ist Pauline ein Teenager“, sagt Cords.

Schicksale, die tief berühren

Bei bis zu 180 Familien pro Jahr erlebt sie viele Schicksale, die ihr oft nachgehen. „Besonders berührt hat mich eine ukrainische Familie, die dieses Frühjahr zu uns kam mit einem Mädchen, das eine sehr schwere Stoffwechselstörung hatte und nach einer eigentlich erfolgreichen Transplantation verstarb.“

Die Familie sei trotz dieses schweren Schlags so dankbar gewesen und habe zur Erinnerung Sonnenblumen gepflanzt, die gerade jetzt im Garten mit dem Spielturm aufgehen. Wenn ein Kind gestorben ist, steht im Eingangsbereich des vierstöckigen Hauses eine Kerze, die dann angezündet wird. „Wir zollen damit unseren Respekt, aber es ist auch ein Zeichen für unsere Mitarbeiter und Ehrenamtlichen, dass sich im Haus eine Situation verändert hat“, sagt Carolin Cords.

Die Ehrenamtlichen umsorgen die Familien

Die 54-Jährige zeigt den großen Gemeinschaftsraum mit Kamin und schönen Sitzmöbeln und geht dann in die Gemeinschaftsküche. Hier werkeln gerade die Ehrenamtlichen Luise Kluge (72) und Traute Krösche (68), machen Limonade und kneten Teig für Kuchen und Plätzchen. Kluge ist seit 21 Jahren einmal die Woche im Haus, macht mit im Kochteam, wenn es donnerstags den Verwöhnabend gibt, bei dem alle Eltern zum Abendessen eingeladen sind. Die rund 35 Ehrenamtlichen sind nicht für die Betreuung der Familien zuständig. „Wir machen alles drumherum, kümmern uns um Garten, Küche und Haushalt, damit die Familien sich bei uns wohl und umsorgt fühlen“, sagt Kluge, die auch ihre Enkelin als Helferin für das jährliche Sommerfest Anfang September eingespannt hat. „Das fühlt sich hier schon wie ein zweites Zuhause an“, sagt Kluge lachend.

Carolin Cords spricht im Podcast Von Mensch Zu Mensch über das Ronald McDonald Haus.
Carolin Cords spricht im Podcast Von Mensch Zu Mensch über das Ronald McDonald Haus. © Hamburg | Podcast Von Mensch Zu Mensch

Das gleiche sagt auch Dennis Lembcke, der im ersten Stock im kleinen Gemeinschaftsraum vor seinem Computer sitzt und arbeitet. Der IT-Experte lebt bereits seit Mitte Mai mit seiner Frau Stephanie und Sohn Nils im Ronald McDonald Haus. Der Dreieinhalbjährige, der mit einem Downsyndrom auf die Welt kam, hat eine akute Leukämie.

Toben im Spielzimmer während der Chemotherapiepause

Während der Chemotherapie wohnt die Mutter mit ihm im UKE, „aber ich bin dann trotzdem hier, um sie zu entlasten. Wir wollen das gemeinsam durchstehen und nicht örtlich getrennt sein“, sagt Lembcke, der sonst mit seiner kleinen Familie in Hannover lebt. Nils nimmt an einer besonderen Medikamenten-Studie teil, deswegen wird er am UKE behandelt. Im Moment hat der kleine Junge gerade eine Chemotherapiepause und wohnt mit seinen Eltern im kleinen Appartement.

Er liebt es, im Spielzimmer des Hauses zu toben, das bunt gestaltet und liebevoll mit vielen Kuscheltieren, einer Hängematte und Carrerabahn ausgestattet ist. „Nils ist gern hier und es ist gut, dass diese Wohnung von unserem privaten Umfeld in Hannover getrennt ist“, sagt Dennis Lembcke. Der 37-Jährige freut sich zudem über den Kontakt mit anderen Eltern. „Kürzlich war hier ein Paar, dessen Kind auch ein Down-Syndrom hat. Da konnten wir uns gut austauschen.“

Alona und Vladyslav Plavelskyy berichten von einer Familie, die gerade erst das Ronald McDonald Haus mit einem gesunden Kind, das auch als Frühchen auf die Welt gekommen war, verlassen hat. „Das zeigt, wir sind nicht allein. Es macht viel Mut“, sagt der Vater. Das Paar macht sich bereit, um seine kleine Tochter auf der Kinderstation im UKE zu besuchen. „Gerade gestern kam ich spät in der Nacht zurück. Da standen Kekse für mich in der Küche bereit. Das tut dann einfach gut“, sagt Alona Plavelskyy.

Der ganze Podcast unter https://www.abendblatt.de/podcast/von-mensch-zu-mensch/