Familienkonflikt: Leidenschaftlich diskutieren ist gut, aber man muss rechtzeitig merken, wenn man den Bogen überspannt.

Mit meiner Mutter habe ich durchaus in vielen Dingen eine unterschiedliche Meinung. Wir ticken oft politisch anders, haben manchmal verschiedene Moralvorstellungen und Interpretationen von Geschichte. Früher habe ich mich aufgerieben, intensiv dagegen diskutiert, die Hände gen Himmel gehoben, die Haare gerauft – was man eben so macht bei einem Streit. Oftmals gingen wir beide wütend und manchmal auch innerlich verletzt ins Bett – und es tat uns jedes Mal leid am nächsten Morgen.

Inzwischen streiten wir uns nicht mehr. Wir vermeiden einfach gewisse Bereiche oder wechseln bewusst das Thema, wenn wir merken, dass wir mit unseren Meinungen zu weit voneinander entfernt sind. Ich finde, je älter sie wird, umso weniger möchte ich die Zeit mit ihr mit Streit vergeuden. Und ich fange auch zunehmend an, nicht mehr nur meinen Standpunkt zu sehen, sondern auch sie zu verstehen, wie sie sozialisiert wurde, was sie in ihrer Jugend im Gegensatz zu mir erlebt hat.

Ansonsten diskutiere ich mit Freunden nach wie vor leidenschaftlich gerne, gehe Meinungsverschiedenheiten nicht aus dem Weg, spiele manchmal sogar „Teufels Advokat“, versuche einen Perspektivwechsel, um die Diskussion spannender zu machen. Wichtig ist jedoch, dass man immer rechtzeitig merkt, wenn man den Bogen überspannt, wenn es nur noch darum geht, Recht zu haben, anstatt ein fruchtbares Gespräch zu führen. Einfach mal nachgeben, das tut mir nicht nur bei Diskussionen mit meiner Mutter gut.

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