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„Ich wusste gleich: Es ist Krebs“

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Vanessa Seifert
Annette  Hansen (Name geändert) und Sohn Tom bei einem Ausflug in Hamburg

Annette Hansen (Name geändert) und Sohn Tom bei einem Ausflug in Hamburg

Foto: Klaus Becker

Mit 47 Jahren entdeckt Annette Hansen einen Tumor in ihrer Brust. Stiftung phönikks hilft der Familie

Das „böse Erwachen“, wie Annette Hansen (Name geändert) es nennt, kam kurz nach dem Aufwachen an einem Oktobermorgen vor drei Jahren. Die rechte Brust, das sah die damals 47-Jährige sofort beim Blick in den Badezimmerspiegel, sah anders aus – und fühlte sich auch anders an. Vier Monate zuvor erst war sie bei der Vorsorge gewesen. „Alles in Ordnung“, hatte der Gynäkologe gesagt. Jetzt war nichts mehr in Ordnung, das spürte Annette Hansen gleich.

Sie sei sofort an den Computer gestürzt, habe fast panisch bei Google nach „Brustkrebs“ und „Hamburg“ gesucht. Vorher habe sie an die Krankheit keinen Gedanken verschwendet. „Irgendwie habe ich immer glauben wollen: Das passiert nur den anderen.“ Dabei erkranken allein in Deutschland jedes Jahr 70.000 Frauen neu an dieser Krebsart, die mit einem Anteil von 30,5 Prozent die mit Abstand häufigste ist bei der weiblichen Bevölkerung in den industrialisierten Ländern.

Annette Hansen ruft, noch vor dem Rechner sitzend, ihren Mann Magnus an, einen Historiker, der sofort nach Hause eilen möchte, aber nicht kann, weil er ausgerechnet gerade ein paar Tage beruflich unterwegs ist. Auch eine ihrer besten Freundinnen informiert sie über den Verdacht. „Sie ist zum Glück ganz ruhig geblieben und hat mir schnellstmöglich einen Termin im UKE gemacht.“

Wenige Tage später liegt der Befund vor. Der Tumor ist bösartig und schnell wachsend, die Lymphknoten sind bereits befallen, das „volle Programm“, wie Annette Hansen sagt, ist erforderlich: Operation, Chemotherapie, Bestrahlung. Doch gestreut hatte der Krebs zum Glück noch nicht. „Keine Metastasen! Ich weiß noch, wie wir diese Nachricht gefeiert haben. Eigentlich absurd, wenn man bedenkt, was mir alles bevorstand.“

Behandelt wird Annette Hansen, die früher bei der Polizei gearbeitet hat und heute bei einer Stiftung tätig ist, im Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem. „Bei den Ärzten und Schwestern dort, die wie Hebammen für Brustkrebspatientinnen sind, fühlte ich mich vom ersten Tag an gut aufgehoben, es wurde mein Ort der Hoffnung.“ Denn als sie einmal gefragt habe „Wie lange habe ich noch?“, sei die Antwort gewesen: „Die Frage ist doch viel mehr: Wie können Sie weiterleben? Darum müssen wir uns kümmern.“

Schnell sei die Frage aufgekommen, wie sie ihrem damals sechsjährigen Sohn Tom von der Krankheit erzählen sollte. „Mein Mann und ich waren uns einig, dass wir ihn einweihen wollten. Sonst ist es so, als wenn das Kind aus dem Fenster in den Regen starrt und die Eltern sagen: Nein, Schatz, es scheint die Sonne.“ Das Mammazentrum stellt den Kontakt zur Stiftung phönikks her. Mit einer Psychologin üben Annette und Magnus Hansen, wie sie Tom die Wahrheit sagen. „Wir haben nicht verschwiegen, dass Brustkrebs tödlich sein kann. Aber ich habe Tom gesagt, dass ich fest daran glaube, dass ich gesund werde.“ Und es gelingt. Heute ist die 50-Jährige tumorfrei. Die linke Brust hat sie sich vorsorglich auch abnehmen lassen und sich bewusst gegen einen Wiederaufbau entschieden. „Ich habe meine Weiblichkeit nie über meinen Busen definiert. Und ich wollte keine weiteren Krankenhausaufenthalte.“

Das habe sie weder sich noch der Familie zumuten wollen. Phönikks habe in der schweren Zeit sehr geholfen, hat die drei Hansens über gut anderthalb Jahre begleitet. Gerade Tom hätten die Gespräche bei der Stiftung gut getan. „Da konnte er über seine Sorgen und Nöte sprechen.“ Insgesamt seien sie offen mit der Krankheit umgegangen. Annette Hansen ließ sich sogar von der befreundeten Fotografin Heike Günther begleiten, mehr als 2000 Bilder entstanden: wie Tom die Haare seiner Mutter beim Frisör zusammenfegt, wie die beiden bei „Königinnen“ am Eppendorfer Weg eine Perücke aussuchen, wie Annette Hansen unter dem monströsen Bestrahlungsgerät liegt. 23 Aufnahmen wurden 2018 auf der Kunst Altonale gezeigt. Annette Hansen wünscht sich nicht nur anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar, dass die Ausstellung immer wieder zu sehen ist. „Ich möchte einfach Mut machen.“