Vor 60 Jahren wurden die ersten Hamburger Spielhäuser gegründet. Inzwischen gibt es in Hamburg 39 dieser pädagogisch geleiteten Freizeitstätten für Jungen und Mädchen.

Es gibt Orte in dieser Stadt, zu denen kann jedes Kind gehen, ohne vorher zu fragen. Orte, an denen immer jemand da ist. Wo Menschen warten, die Zeit haben, zuzuhören. Orte, an denen Kinder laut sein dürfen, rumtoben, sich ausprobieren. An denen sie aufgefangen werden. Und es Spaghetti gibt, wenn sie hungrig sind. Manche dieser Orte sind bereits 60 Jahre alt, sie haben Tausenden Kindern Raum gegeben, sich zu entfalten, und ihren Eltern Freiräume und Entlastung geschaffen. Damals, nach dem Krieg, als es in den Trümmern kaum geeignete Spiel- und Bewegungsräume für Kinder gab. Und heutzutage, in einer Zeit, in der Eltern häufig mit der Betreuung ihrer Kinder aus privaten oder beruflichen Gründen überfordert sind. Es sind die Hamburger Spielhäuser, die sich bis in die Gegenwart hinein behauptet haben und am Mittwoch mit einem großen Kinderfest ihren 60. Geburtstag feiern.

Ulrike Schütt hat sich seit Monaten auf diesen Tag vorbereitet. Die 51-Jährige ist Leiterin des Spielhauses Wagrierweg im Stadtteil Niendorf. Jeden Vormittag kommen 15 bis 20 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren in die Einrichtung. Am Nachmittag sind dann die Größeren dran, töpfern, kochen, tanzen zusammen oder treffen sich einfach nur mit ihren Freunden. Die ältesten Besucher sind 14. Die Kleinen kommen, weil ihre Eltern noch auf einen Kita-Platz warten. Oder weil diese das Angebot im Spielhaus einfach sympathischer finden. Manche kommen regelmäßig, andere nur ab und zu. „Die Eltern können ihre Kinder bei uns auch spontan für ein paar Stunden abgeben, wenn sie einen Arzttermin haben, in Ruhe einkaufen wollen oder einfach mal eine Auszeit brauchen“, sagt Ulrike Schütt. Dann toben die Kinder draußen auf dem weiten Außengelände, klettern auf dem Gerüst, fahren Kettcar oder setzen sich in den großen Aufenthaltsraum zum Malen, Basteln oder Bauen. Das Angebot ist kostenlos. Nutzen kann es jeder.

Das erste Spielhaus entstand 1953 auf dem neu gestalteten Spielplatz an den Wallanlagen. Der Bau und Betrieb wurde maßgeblich durch private Spenden finanziert. Es war der Deutsch-Amerikanische Frauen-Club, der die Idee ins Leben rief und sich bis heute in ganz besonderer Weise für diese Häuser engagiert. Denn von Anfang an galt die Regel, dass ein Spielhaus nur dann gebaut werden dürfe, wenn mindestens 50 Prozent der Kosten von privatem Geld gedeckt würden. Außerdem musste stets eine große Freifläche von 4000 bis 5000 Quadratmetern vorhanden sein. Vor allem die vielen Kriegerwitwen, die gezwungenermaßen einer Arbeit nachgehen mussten, gaben ihre Kinder dankbar in diese Betreuung. Denn damals gab es kaum eine andere Möglichkeit der Unterbringung. Es ging darum, Kinder in sicherer Umgebung spielen zu lassen.

Das ist noch heute das Ziel. „Durch das Spielen zu lernen, sich auszuprobieren und keinen Lehrplänen folgen zu müssen“, sagt Ulrike Schütt. Freiheit sei das Zauberwort. Oder ganz einfach: Kind zu sein. Ein Konzept, das sich über Jahrzehnte bewährt hat. Und das aufgrund veränderter Strukturen im Bildungswesen dennoch um seinen Erhalt kämpfen muss. Die „Inseln in der Großstadt“, wie diese Spieloasen nicht treffender bezeichnet werden können, werden im Zuge des Ausbaus von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen nach und nach verschwinden, befürchtet Dagmar Klages vom Arbeitskreis Spielhäuser. Die ersten wurden bereits geschlossen. Jetzt gibt es noch 39 Häuser – verteilt in der ganzen Stadt.

Dabei bieten viele der Häuser weit mehr als nur Kinderbetreuung an. „Wir sind für viele Mütter, Väter und Kinder eine niedrigschwellige Anlaufstelle. Hier können Eltern auf unkomplizierte Weise Hilfen und Tipps erhalten“, sagt Dagmar Klages. An den Wochenenden werde gemeinsam gefrühstückt, manchmal gekocht oder ein Ausflug gemacht. Darüber hinaus kooperieren viele Häuser mit nahe gelegenen Schulen, Kitas und Elternschulen. So hat Spielhausleiterin Ulrike Schütt eine Kooperation mit der Stadtteilschule Niendorf ins Leben gerufen, betreut mit ihren Kollegen die Fünftklässler nach dem Unterricht in ihren Räumen, sorgt für das Mittagessen und hilft gelegentlich bei den Hausaufgaben. Danach können die Kinder die Angebote im Haus nutzen wie sie möchten.

Ulrike Schütt hat als Leiterin der Einrichtung dafür zu sorgen, Spenden zu sammeln, Sponsoren zu finden und qualifizierte ehrenamtliche Mitarbeiter anzuwerben. Denn der Etat ist knapp. Unterstützt werden die Häuser auch vom Abendblatt-Verein „Kinder helfen Kindern“. Um diese Probleme, vor denen alle Hamburger Spielhäuser stehen, gemeinsam anzugehen, wurde 2002 der Verein „Hamburger Spielhäuser“ gegründet. Ein schöner Nebeneffekt des Zusammenschlusses ist, dass mit Hilfe einer solchen Ansammlung von Spielexperten auch Spielfeste im großen Rahmen möglich sind. Feste, die über das lokale Umfeld der einzelnen Häuser hinausgehen. Und allen Kindern und Eltern Hamburgs zeigen, was in den Spielhäusern im Mittelpunkt steht: willkommen zu sein, ohne dafür bezahlen zu müssen, anzukommen und mitzumachen – zu erfahren, dass Freude und Erfüllung ohne großen Kommerz möglich sind.

Eines dieser Feste wird am 31. Juli von elf bis 17 Uhr in Planten un Blomen (Große Wallanlagen) gefeiert. Die Feier findet an der Rollschuhbahn in den Wallanlagen statt, dort, wo das erste Spielhaus vor genau 60 Jahren eröffnet wurde. Eingeladen sind alle Jungen und Mädchen bis 14 Jahre. Und jene Älteren, die bereit sind, Kind zu sein und einfach nur zu spielen.