Mutmacher Claire Fuchs ist immer wieder Gastmutter auf Zeit. Sie gibt herzkranken afghanischen Kindern ein liebevolles Zuhause, bis sie gesund sind. Von Geneviève Wood

Dieser liebevolle Blick und dieses Lächeln des achtjährigen Quadratullah in Richtung seiner Gastmutter ist eindeutig. In diesen Sekunden wird klar, dass es eine tiefe Verbindung zwischen dem Kleinen, den alle nur Quadi nennen, und Claire Fuchs gibt. Sie ist eine Mutter auf Zeit für Kinder, die mit schweren Herzfehlern aus Afghanistan nach Deutschland kommen und hier ihre lebensrettenden Operationen erhalten. Doch neben der medizinischen Versorgung brauchen die schwer kranken Kinder, die ohne Eltern in ein fremdes Land reisen, vor allem liebevolle Ersatzmütter und -väter.

Schwer krank? Beim Gerangel um den Fußball auf dem Schulhof der Katholischen Grundschule in Blankenese hat Quadi zwar den Kürzeren gezogen und den Ball nicht erwischt, aber dass er noch vor zwei Monaten kaum Luft zum Atmen bekam, weil in seinem Herzen seit der Geburt ein zweieinhalb Zentimeter großes Loch klaffte, scheint lange her zu sein. Seitdem er am 8. Januar am Herzen operiert worden war, ging es ihm von Tag zu Tag besser. Drei Kilo hat der zarte Junge bereits zugenommen. Sicherlich ist das auch ein Verdienst von Frau Fuchs, die jeden Tag Gerichte aus ihrer französischen Heimat kocht. Mittlerweile zählt der selbst gemachte Hefezopf zu Quadis Lieblingsspeisen, genau wie Erdbeermarmelade und Bananen. Extrawürste für Quadi gibt es bei Familie Fuchs keine. Oder fast keine. "Es stehen nun häufiger Nudeln auf dem Tisch", sagt Claire Fuchs und lacht.

Die 49-Jährige kann sich natürlich noch genau daran erinnern, wie dieser Junge nur mit einer Plastiktüte bei ihr ankam. Das Ärzteteam des Hilfsprojektes "Herzbrücke" der Albertinen-Stiftung hatte Quadi und weitere sechs Kinder im Dezember für eine Operation mit dem Flugzeug aus Kabul in Afghanistan nach Hamburg geholt. "Er war bei der Ankunft total eingeschüchtert. Die Kinder kommen mit nichts. Er wusste nicht einmal, wo er war. Er wusste nur, dass er hier war, weil er einen Herzfehler hatte", sagt Claire Fuchs. Die Französin kam vor 30 Jahren aus Paris nach Deutschland und arbeitet als freie Dozentin für Französisch und Interkulturelles. Sie ist sich bewusst, dass sie, ihr Mann Michael, ein Unternehmensberater, und die Söhne Colin, 14, und Timon, 20, ein privilegiertes Leben führen, es anderen aber schlecht geht. Denen wollte sie helfen. "Mein Mann und ich wollten etwas tun. Wir sind auf der Sonnenseite des Lebens und möchten das teilen", sagt sie.

Als sie im Fernsehen sah, wie die Ärzte der "Herzbrücke" einen Bambi für ihr Engagement erhielten, wusste sie sofort, dass es genau das Projekt sein sollte, das sie unterstützen wollte. "Was kann es Schöneres geben, als einem schwer kranken Kind das Leben zu schenken?" Es höre sich vielleicht hochtrabend an, aber sie und ihr Mann seien davon überzeugt, dass ein Land wie Afghanistan nur von gesunden Kindern wieder aufgebaut werden könne. "Sie erfahren bei uns Toleranz, und diese Botschaft tragen sie in ihre Familien", hofft Frau Fuchs. Vor fünf Jahren kümmerte sie sich gemeinsam mit ihrer Familie zum ersten Mal um den damals 14-jährigen Mubarak, einem "bockigen Teenager", wie sie sagt. Einige Jahre später kam der fünf Jahre alte Qayes, der beinahe bei ihr zu Hause in Blankenese gestorben wäre, drei Wochen lang auf der Intensivstation lag und gerettet wurde. Noch immer hat Claire Fuchs zu Qayes Kontakt. Und nun dieser wissbegierige, quirlige Quadi, der es toll findet, dass die Autos hier nicht so kaputt sind wie zu Hause und dass die Gebäude so schön sind. Quadi teilt sich das Zimmer mit Colin. Auch wenn Quadi kein Deutsch und Frau Fuchs kein Dari (ein persischer Dialekt) spricht, die Verständigung habe von Anfang an geklappt. "Maman", wie Frau Fuchs von Quadi und ihren eigenen Kindern genannt wird, hat keine Berührungsängste. "Die Augen spielen eine große Rolle, wenn wir mal wieder aneinander vorbei sprechen. Außerdem lachen wir sehr viel und knuddeln miteinander", sagt sie. Es ist wohl die Herzlichkeit in dieser Familie, die vielleicht auch Quadi so guttut. "Wir reden viel mit ihm und teilen Nestwärme."

Genau wie die ersten beiden Gastkinder, geht auch Quadi während der drei Monate in die Katholische Grundschule in Blankenese - ganz ohne Dolmetscher. Seine Lehrerin Brigitte Buchholz aus der Klasse 1 c hat ein Helfersystem etabliert: Jeden Tag kümmert sich ein anderer Mitschüler um den Jungen aus Afghanistan. "Sich von den Mädchen helfen zu lassen, damit hatte Quadi am Anfang Probleme", sagt Lehrerin Buchholz. Er kommt eben aus einer anderen Welt. Zuhause in der Dorfschule in Afghanistan werden die Mädchen getrennt unterrichtet. Bei ihrem ersten Gastsohn Mubarak hatte Frau Fuchs noch versucht, den Jungen auf eine staatliche Schule zu schicken. Doch die Bürokratiehürden waren zu hoch - alle Schulen lehnten ab. Frau Fuchs vermutet, dass es an der deutschen Mentalität liegt: "Weil sie alles perfekt machen wollen, machen sie gar nichts." Die Schulleiter hätten die afghanischen Kinder wie heiße Kartoffeln weitergereicht. "Hier an der Schule sind sie offenherzig. Mubarak war hier problemlos in die erste Klasse gegangen. Vor seiner Abreise gab es ein Abschiedsfest."

Mithilfe eines Dolmetschers fragt Quadi seine Gastmutter unvermittelt, ob er nicht weiterhin hier zur Schule gehen könne. "Das geht nicht, aber du musst zu Hause viel, viel lernen und fleißig sein. Wenn du studieren möchtest, kannst du wiederkommen."

In ein paar Tagen wird Quadi zurück zu seiner Familie fliegen. Gesund und mit einem Hefezopf von Claire Fuchs im Reisegepäck.