Für viele Tausend Bedürftige ist das Weihnachtspäckchen des Hamburger Abendblatts das einzige Geschenk zum Fest. Bei der Feier der Wilhelmsburger Tafel gehörte die Verteilung der Pakete zum Höhepunkt.

Es gibt einen Augenblick im Jahr, da fühlt sich Rebekka Cassenti wie ein Kind. Es ist ein Moment der Unbeschwertheit, des Staunens und der puren Freude. Die 55-Jährige freut sich darauf wie die Kleinen auf die Bescherung am Heiligen Abend. Es ist ihr ganz persönlicher Höhepunkt der Weihnachtszeit: dieses grüne, feine Weihnachtspäckchen, gefüllt mit vielen Leckereien und einem fröhlichen Kinderbild. Ein Geschenk des Abendblatt-Ressorts "Von Mensch zu Mensch" und seiner Leser.

"Da ist dieses gute Gefühl, zu wissen, dass andere an dich denken", sagt Rebekka Cassenti. Für sie ist das Päckchen, das sie bei der Weihnachtsfeier der Wilhelmsburger Tafel überreicht bekommt, die einzige Gabe zu diesem Fest - wie für viele Tausend andere bedürftige Menschen auch. Es sind Männer, Frauen, Kinder, die am Rande des Existenzminimums leben. Sie bekommen Grundsicherung oder Hartz IV. Selbst für genügend Lebensmittel reiche das Geld nicht aus, sagen sie. Neue Kleidung, Schuhe, Geschenke, ein Weihnachtsbaum mit echten Kerzen - für Frau Cassenti und die anderen sind diese Anschaffungen ein unvorstellbarer Luxus.

Umso mehr freuen sie sich über das Weihnachtspaket, über die Dominosteine, den Christstollen, die Spekulatius, die Gänsepastete, die Salami und den guten Kaffee darin.

"Kaffee kaufe ich schon lange nicht mehr", sagt Christine Licht. "Der ist einfach zu teuer." Die 43-Jährige sitzt bei der Weihnachtsfeier der Tafel mit rund 250 Besuchern im Saal des Wilhelmsburger Bürgerhauses. Es gibt mittags Grünkohl, später Butterkuchen und eine Tasse Kaffee. Dazu tritt der Frauenchor des Vereins der Russlanddeutschen in Hamburg auf, es werden Weihnachtslieder gesungen. Neben der Bühne steht ein festlich geschmückter Baum mit roten Kugeln. Die meisten Menschen, die hierherkommen, feiern hier ihr Weihnachtsfest.

"Sie kommen aus allen Nationen und sind alle bedürftig", sagt Gudrun Toporan-Schmidt, ehrenamtliche Leiterin der Wilhelmsburger Tafel. Das Weihnachtspäckchen sei der Höhepunkt der Feier und für viele das einzige Geschenk zum Fest. "Wir wollen den Besuchern etwas Gemeinschaft stiften. Und ich möchte, dass die Menschen mit der Weihnachtsgeschichte in Berührung kommen", sagt Pastor Hildebrand Henatsch von der Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg. "Dass sie danach noch ein Geschenk bekommen, ist für viele eine riesige Freude."

An diesem Tag liegen Freude und Leid ganz nah beieinander. Auf der einen Seite die Freude über die Feier, die Musik, das Essen und das Paket. Auf der anderen Seite die Trauer über die eigene Situation. Denn viele der Besucher kennen ein besseres Leben. Sie kennen die Seite der Gebenden. Sie hatten einen Beruf, ein festes Einkommen. Sie hatten genug Geld, um den Alltag sorglos zu bestreiten. Und Weihnachten anderen eine Freude zu machen. Viele von ihnen verloren irgendwann ihren Job, fanden keine neue Anstellung. Andere wurden krank und arbeitslos. Und wieder andere wurden einfach nur zu alt, um weiter arbeiten zu können. Ihre Rente aber reicht nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Christine Licht war Schauspielerin, bis sie vor drei Jahren einen Bandscheibenvorfall erlitt. Seitdem versucht sie wieder auf die Beine zu kommen. Vergebens. Rebekka Cassenti arbeitete 25 Jahre als Feinkostverkäuferin. Dann bekam sie Arthrose. An eine Weiterbeschäftigung war nicht zu denken. Jetzt macht sie Kunsthandwerk, bemalt Gläser, die sie auf Märkten verkauft. Die Einnahmen reichen nicht. Also muss der Staat helfen. Und die Wilhelmsburger Tafel, bei der sie sich jede Woche eine Tüte voll Lebensmittel abholt.

Auch Zumreta Sebowic geht regelmäßig zur Tafel. Sie ist vor vier Jahren mit ihrer Familie aus dem Kosovo gekommen. Für ihre acht Kinder und die Enkelin hat sie keine Weihnachtsgeschenke. "Die Päckchen und Kindertüten vom Abendblatt sind unsere einzigen Gaben. Dafür bin ich sehr dankbar", sagt die 40-Jährige.

Horst Severin ist mit seiner Frau Helene zur Feier gekommen. Der 72-Jährige war jahrelang im Hafen fest angestellt. "Dann wurde ich wegrationalisiert", sagt er. Heute lebt er mit seiner Frau in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Wilhelmsburg. 200 Euro bleiben jedem im Monat zum Leben. Herr Severin freut sich wie ein Kind über das Weihnachtspäckchen. "Das fühlt sich an, als käme es von oben. Wie ein Geschenk Gottes", sagt er. "Früher, da sah Weihnachten noch wunderbar aus. Heute ist es trist und öde. Früher, da konnte ich etwas schenken. Heute hat es sich ausgeschenkt."

Und dennoch, sagt er, sei er ein glücklicher Mensch. Weil er eine Frau an seiner Seite habe, die er liebe. Weil er Luxus nie gewohnt gewesen sei. Nur die Gesundheit lasse zu wünschen übrig. Wenn er besser Luft bekäme, würde er gern wieder arbeiten. Und so viel Geld verdienen, dass er seiner Frau endlich einmal ein paar schöne Blumen schenken kann. "Frische Blumen", sagt er, "hat sie noch nie von mir bekommen."