Mutmacher Artur Kebernik war alkohol- und drogenabhängig. Heute hilft er süchtigen Menschen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Die Sucht bleibt. Man kann sie bekämpfen. In den Griff bekommen. Aber besiegen, das geht nicht. Nein, sagt Artur Kebernik. Sucht ist "lebenslänglich". Wie ein lauerndes Tier sitzt sie im Körper, bereit, jederzeit neu anzugreifen. Man muss wachsam sein.

Artur Kebernik ist wachsam. Und er will leben. Etwas bewegen. 62 Jahre ist er jetzt alt. Ein Drittel seines Lebens war er alkohol- und drogenabhängig. Alles hat er genommen außer Heroin, er hat auf der Straße gelebt, im Knast gesessen, gespritzt, geschluckt, geraucht. Jetzt hilft er anderen, denen es geht wie ihm. Junge Menschen, in deren Leben es keine Grundstruktur gibt. Die Geborgenheit nur im Rausch finden. Und glauben, dass es nur mit Drogen ein gutes Lebensgefühl gibt.

Auch Artur Kebernik hat das geglaubt. Bis sein Arzt diesen Satz sagte: "Sechs Monate noch, dann war's das." Da ist Kebernik 30 Jahre alt, wiegt bei einer Größe von 1,81 Metern noch 58 Kilo. Und plötzlich merkt er, wie sehr er am Leben hängt. Dass er noch nicht abgeschlossen hat.

32 Jahre liegt das zurück. Artur Kebernik sitzt in dem großen Speiseraum im Quo Vadis, dem Jugendhaus in Öjendorf. Unten im Keller tanzen Binta, Remolia und La-Liza vor der Wii-Spielkonsole. Sie kommen fast jeden Tag hierher. Weil sie hier eine warme Mahlzeit kriegen, Raum zum Spielen, Menschen, die ihnen zuhören und ihnen etwas zutrauen. Sie fühlen sich hier geborgen.

Das Quo Vadis ist eine Einrichtung des Vereins Spielepark, dessen Vorsitzender Artur Kebernik ist. Ziel des Vereins ist es, Menschen, die aufgrund sozialer Probleme oder ihrer Persönlichkeitsstruktur auf dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind, Hilfe und eine unkomplizierte Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten. Dabei handelt es sich um Suchtmittelkonsumenten, junge Menschen ohne Schul- oder Berufsabschluss, Straffällige, überforderte Alleinerziehende sowie jene, die keinerlei Förderungen erhalten oder ohne festen Wohnsitz sind. Menschen, denen der rote Faden im Leben abhanden gekommen ist.

Der Verein vermietet professionelle Groß- und Kleinspielgeräte. Die Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Sachen einwandfrei funktionieren, organisieren Transport und Betreuung vor Ort. Sie haben Verantwortung. Und Erfolge, die sich in glücklichen Kindergesichtern und begeisterten Jugendlichen spiegeln. "Kinder geben Kraft", sagt Kebernik. Das habe er selbst erfahren.

Damals, als er nach sieben Entgiftungen mit 24 Jahren in einem Heim für behinderte Kinder eine Ausbildung zum Sozialarbeiter begann. Da hatte er schon zehn Jahre Suchtkarriere hinter sich, die Kindheit ohne Mutter - sie verstarb fünf Tage nach seiner Geburt. "Mein Vater hat mir das nie verziehen", sagt er. Seine Verzweiflung bekommt der Junge mit Fäusten zu spüren. Mit 14 verlässt er die Schule, beginnt eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Er ist 18, als er als Motorenwärter auf den Ölbohrturm "Ostfriesland" geht.

Der Alkohol gehört längst zum Alltag. Es kommen Drogen dazu, LSD, Meskalin, Crack. Die Arbeit wird ihm zu viel. Er geht nach Stuttgart, lebt auf der Straße. Mit 20 wird er das erste Mal straffällig, bricht in Privathäuser ein. Irgendwann erwischt ihn die Polizei. 18 Monate bleibt Kebernik in U-Haft. "Da gab es zwischendurch richtig was auf die Augen." Resozialisierung gibt es nicht. Als er aus dem Gefängnis kommt, wird der junge Mann rückfällig, obwohl er eine Frau kennenlernt, heiratet, einen Sohn bekommt und einen Job findet. Warum? "Ich habe damals noch keine Mittel gesehen, wie ich Zufriedenheit erreichen kann ohne bewusstseinsverändernde Stoffe zu nehmen", sagt er. "Heute sage ich, es kann einem nicht immer gut gehen. Das muss man hinnehmen."

Er sagt das auch zu seinen Jungs, die im Spielepark eine Chance bekommen. Wichtig sei, dass man in solchen Momenten nicht allein ist. Dass es jemanden gibt, der sich für einen interessiert und nicht verurteilt.

Artur Kebernik hat so einen Menschen in seiner zweiten Frau Ingrid gefunden. Sie steht für ihn ein. Er vertraut ihr grenzenlos. Er ist Anfang 30, als er eine Therapie beginnt, sechs Monate lang. Dann folgen zwei Jahre Nachsorge. Parallel dazu tritt er in eine Selbsthilfegruppe ein, macht eine Gruppenleiterausbildung und wird in der Suchtkrankenhilfe aktiv. Er geht in Haftanstalten, spricht mit Drogenabhängigen. Ein Jobangebot dort schlägt er aus, "weil ich es ablehne, Menschen wegzusperren". Er setzt sich für die akzeptierende Drogenarbeit ein, weil er davon überzeugt ist, dass Drogenkonsum in abhängiger Form eine Krankheit ist. Seit Jahren ist er im Vorstand der Palette, der Psychosozialen Betreuung für Substitutionspatienten. Und erlebt, dass Menschen, die aus der Drogenszene rauskommen, plötzlich viel Zeit haben. Und ungeheures Potenzial. "Sie brauchen Beschäftigung", stellt Artur Kebernik fest.

Das war vor 14 Jahren. Er überlegte, was man tun könne. Das Ergebnis war die Gründung von Spielepark. "Die Menschen, die zu uns kommen, können was machen, sie müssen es aber nicht. Wir beraten und begleiten im Lebensalltag." Wichtig sei, dass die Betroffenen ihre eigene Situation erkennen. Auch wenn das wehtue. Und merken, dass man so viele schöne Stunden erleben kann - auch ohne Suchtmittel. Kebernik weiß, dass dies ein langer Weg ist. Dass der Körper schneller heilt als die Seele. Aber er weiß auch, dass es sich lohnt, den Weg zu gehen.