Sarah P. ist verzweifelt. Sie erlebt schmerzlich die Veränderung ihres Mannes nach seiner Rückkehr

Unser Leben hat sich verändert, und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Vor drei Jahren haben wir geheiratet. Mein Mann ist 29 Jahre alt und Soldat bei der Bundeswehr. Ich weiß, dass sein Beruf sehr gefährlich sein kann. Vor einem Jahr kam er nach Hause und sagte, er wolle nach Afghanistan, um dort seine Pflicht zu tun und den Menschen zu helfen. Und er zitierte den früheren Verteidigungsminister Peter Struck, der gesagt hatte, dass unsere Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werde.

Ich versuchte, meinen Mann von seinem Vorhaben abzubringen. Wir waren doch voller Pläne, wollten ein Kind und eine Familie gründen.

Aber vergeblich. Er könnte nicht anders, er hätte sich ja nun einmal für den Beruf des Soldaten entschieden. Er flog nach Afghanistan. Ich habe entsetzliche Angst um ihn gehabt. Und ich war so dankbar, als er nach sechs Monaten äußerlich unversehrt zurückkam.

Aber er hat sich verändert und ist mir fast fremd geworden. Er ist abweisend. Einziger Außenkontakt ist ein Kamerad, der ebenfalls in Afghanistan war. Was ist passiert? Ich erreiche ihn nicht. Er spricht nicht darüber, was ihn bewegt. Nachts schreit er manchmal, wimmert, ruft den Namen eines Kameraden, der wohl dort Opfer eines Überfalls geworden war. Wie kann ich ihm helfen, dass er wieder zu mir und ins Leben zurückfindet? Sarah P., 28

Es antwortet der Psychotherapeut Dr. Uwe Böschemeyer:

Ihr Satz: "Er hat sich verändert, ist mir fast fremd geworden", ist aus ihrer Sicht mehr als verständlich. Denn ein Mensch, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leidet, hat etwas erlebt, was das Maß des Erträglichen bei Weitem übersteigt.

Deshalb wird er zunächst nicht nur sich selbst, sondern auch den vertrautesten Menschen fremd sein. Warum? Weil er immer wieder von den grausamen Erinnerungen an sein Trauma überflutet wird, sodass er sich wie betäubt, stumpf, gleichgültig fühlt. Daher vermeidet er auch alle ihm sonst vertrauten Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an die Traumatisierungen wachrufen könnten.

Dass er übererregt und schreckhaft ist und wenig Schlaf findet, versteht sich von selbst. Und dass mit diesen Symptomen Angst, Depression und suizidale Gedanken verbunden sind, wird niemanden verwundern.

Für die Angehörigen schwer zu ertragen ist, dass die Kranken einerseits ihre seelischen Schmerzen häufig lange zurückhalten und/oder ihre Erfahrungen innerlich abkapseln und andererseits Sehnsucht danach haben, mit dem Leben wieder in Berührung zu kommen. Dass sie mit ihren Leidensgenossen zunächst vielleicht leichter sprechen können als mit ihren Angehörigen, ist für diese zwar bitter, doch aus der Sicht der Kranken verständlich.

Wie können Sie Ihrem Mann und sich selbst helfen?

Erstens: Zunächst durch die Erkenntnis, dass Ihr Mann krank ist und sich selbst ein Stück weit verloren hat. Gesund geblieben aber ist seine zurzeit nicht aussprechbare Sehnsucht nach der Beziehung zu Ihnen und den anderen Angehörigen. Deshalb geben Sie ihm zu verstehen, dass Sie ihm die Zeit gönnen, die er braucht, um sich selbst und Ihnen wieder näherkommen zu können.

Zweitens: Ihr Mann braucht einen erfahrenen Psychotherapeuten/Psychotherapeutin, dem bewusst ist, dass bei schweren Traumatisierungen wie im Falle Ihres Mannes zunächst nicht die Konfrontation mit dem Erlebten im Vordergrund stehen sollte, sondern die Schaffung verlässlicher sozialer Beziehungen. Denn wer Schreckliches erlebt hat, das das Fassungsvermögen übersteigt, wird erst dann über sich selbst und seinen Selbstverlust sprechen können, wenn ein verlässlicher und warmer "Raum" die Aussprache ermöglicht.

Das bedeutet auch, dass der Therapeut/die Therapeutin in aller Behutsamkeit schrittweise und der Persönlichkeit des Patienten entsprechend vorgehen und ihn nicht nur kompetent, sondern auch liebevoll und verlässlich begleiten sollte.

Worauf kommt es letztlich an? Nicht auf eine bestimmte Richtung der Psychotherapie, sondern auf die eben angedeuteten Notwendigkeiten und darauf, dem Kranken zu helfen, nicht nur "Tränen zu trocknen", wie es im Film "Das geheime Leben der Worte" heißt, sondern auch und vor allem "schwimmen zu lernen".

Wer Menschen mit einem solchen Leid erlebt, wird mehr noch als bisher jeden Krieg Wahnsinn nennen. Er wird mit noch größerer Achtung an die jungen Menschen denken, die zurzeit in Afghanistan tätig sind. Er wird sich auch mit Ernst die Frage nach seinem eigenen Beitrag zur Friedensbildung stellen. Wozu? "Wenn einer träumt, ist es ein Traum. Wenn viele miteinander träumen, ist es der Anfang einer Wirklichkeit", sagte Dom Hélder Camara, einer der bedeutenden Kämpfer für die Menschenrechte in Brasilien.

Dr. Uwe Böschemeyer ist Psychotherapeut, Leiter des Hamburger Instituts für Logotherapie und Rektor der Europäischen Akademie für Wertorientierte Persönlichkeitsbildung Salzburg