Annegret S. hat nach dem Tod ihres Mannes eine neue Liebe gefunden. Bisher hat jeder seine Wohnung behalten. Soll sich das ändern?

Nach 40 glücklichen Ehejahren wurde ich mit 64 Jahren Witwe. Zwei Jahre habe ich allein gelebt. Dann hatte ich das Glück, einen alten, ebenfalls verwitweten Freund zu finden.

Aus dem "Kümmern" ist Liebe geworden, die ich dankbar annehme. Nach einer Zeit sollte alles "besiegelt" werden, wir heirateten, behielten aber weiter jeder unsere Wohnung, die nur wenige Straßen entfernt voneinander liegen. So haben wir seit sechs Jahren eine 'Schlafburg' bei meinem Mann, eine 'Tagburg' plus Essen bei mir.

Nun bin ich 72, mein Mann 76, und meine Wohnung im 3. Stockwerk ohne Fahrstuhl fällt uns schwerer. Außerdem will und kann ich das ewige Hin und Her nicht mehr. Die Wohnung meines Mannes ist sehr groß, deshalb würden wir uns für seine entscheiden.

Es fällt mir trotzdem unendlich schwer, meine 'Tagburg' aufzugeben, meine Wohnung, die ich mit sehr viel Liebe eingerichtet und in der ich über vier Jahrzehnte gelebt habe. Mein Mann ist sehr großzügig, er würde mir entsprechend viel Raum für meine neue kleine Burg zur Verfügung stellen.

Und doch wird es immer seine Wohnung bleiben, nach seinem Geschmack (wir haben einen sehr unterschiedlichen) eingerichtet.

Ich wäre so dankbar für einen Rat, ob wir in unserem Alter - nach einem lang gelebten Leben, wo jeder seine Eigenarten entwickelt hat - zusammenziehen sollten. Ich möchte diesen Schritt nie bereuen. Was meinen Sie? Annegret S., 72

Es antwortet die Psychologin Uta Buresch:

Es fällt sicher nicht leicht, im Alter sein Leben noch einmal umzukrempeln und sich für neue Lebensumstände zu entscheiden. "Einen alten Baum verpflanzt man nicht", sagt man. Und doch stehen sehr viele Menschen früher oder später vor dieser Aufgabe. Wir wissen, dass im Alter unsere Kräfte nachlassen und dass wir nicht mehr so beweglich sind. Eines Tages brauchen wir vielleicht Hilfe und Unterstützung von anderen Menschen.

Manche ziehen zu ihren Kindern, andere in betreuende Einrichtungen. Und immer ist dieses verbunden mit Abschied und Trennung von Dingen, die uns lieb und vertraut sind.

Sie haben das Glück, selbst zu entscheiden. Sie kennen Ihre zukünftige Bleibe, Sie haben Erfahrungen im Zusammenleben mit Ihrem Partner. Sie können in Ihrem Wohnumfeld bleiben, in dem Sie sich auskennen. Sie kennen die Abläufe in der "Nachtburg", der Wohnung Ihres Mannes, und das gemeinsame Leben in der "Tagburg", Ihrer Wohnung. Sie haben die Chance, bei einem solchen Umzug noch selbst zu entscheiden: Was will ich behalten, wovon soll/muss ich mich trennen?

Sie kennen bereits das "Abenteuer", auf das Sie sich einlassen wollen: Sie haben es geschafft, sich beide jeweils an die Wohnung des anderen zu gewöhnen, die nicht Ihrem Geschmack entspricht.

In der großen Wohnung Ihres Mannes können Sie Ihr eigenes Zimmer beziehen, das Sie mit Ihren Sachen, besonders lieb gewordenen, nach Ihrem Geschmack einrichten können.

Sie haben sich bisher Freiräume gelassen, also sollte Ihnen das auch in Zukunft gelingen.

Ich glaube, Sie können mit dem Umzug in die Wohnung Ihres Partners nur gewinnen. Sie müssen nicht mehr Treppen steigen und Dinge in eine obere Etage tragen. Sie sind nicht allein.

Da Sie verheiratet sind, gehe ich davon aus, dass Sie problemlos den Mietvertrag Ihres Mannes übernehmen und die Miete tragen können, falls das Leben Ihres Partners vor dem Ihrem zu Ende geht. Das sollte immer sichergestellt sein, bevor man seine Wohnung aufgibt. Ich empfehle, juristischen Rat einzuholen.

Je älter wir werden, umso mehr sind wir auf Menschen angewiesen, die für uns sofort erreichbar sind. Sie schreiben von Vertrauen und Liebe füreinander, damit sollte Ihnen die Entscheidung für das wirklich gemeinsame Leben möglich sein.

"Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden. Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!"

Mit diesen Schlusszeilen in seinem wunderschönen Gedicht "Stufen" ermutigt uns der Dichter Hermann Hesse bis zum Ende unseres Lebens bereit zu sein für Veränderungen.