Jährlich 4000 Grillunfälle. “Paulinchen“ warnt eindringlich vor den Gefahren des Grillfeuers

Lena, 7, freute sich schon den ganzen Tag auf das Grillfest. Vier Familien aus der Siedlung hatten sich im Garten von Horst E. verabredet. Lena steckte Obststückchen auf Schaschlik-Spieße. Diese Leckerei zum Nachtisch war nur für sie und ihren Freund Leon. Denn der Fünfjährige wollte mit seinen Eltern auch zum Grillfest kommen. Langsam sammeln sich alle Familien im Nachbarsgarten. Während die Erwachsenen den Tisch decken und die Kinder Ball spielen, müht sich Horst E. eifrig, das Feuer zu entfachen. Wie schon viele Male zuvor nimmt er schließlich Spiritus zur Hand und gießt ihn auf die glimmende Holzkohle. Sofort steigt eine riesige Flammenwand auf und breitet sich rasend schnell im Garten aus.

Lena steht drei Meter vor dem Grill und wird frontal von der Feuerwand erfasst. Sie kommt mit Verbrennungen dritten Grades an mehr als 50 Prozent ihrer Körperoberfläche in eine Spezialklinik für schwer brandverletzte Kinder. Ihr Freund Leon erleidet glücklicherweise nur leichte Verbrennungen. Aber er hat seit dem Unfall Albträume und Sprachstörungen und wird von einem Kinderpsychologen behandelt.

"Gefährliche Verpuffungen mit meterhohen Flammenwänden ebenso wie Rückzündungen sind die Folge, wenn man Spiritus oder andere Brandbeschleuniger auf brennende Grillholzkohle gießt - mit verhängnisvollen Konsequenzen für alle umstehenden Personen", berichtet Adelheid Gottwald, Vorsitzende der Initiative für das brandverletzte Kind "Paulinchen e. V". "Die Gefahr wird viel zu häufig unterschätzt."

Etwa 4000 Grillunfälle ereignen sich jährlich, bei rund 400 Vorfällen werden Kinder verletzt. "Wenn Kinder betroffen sind, werden sie in der Regel sehr schwer verletzt", sagt Adelheid Gottwald. "Sie stehen in der Nähe des Grills, sind klein, die Flammen greifen über, und es entstehen großflächige Verletzungen am Kopf und im Gesicht, an Armen, Beinen und dem Rumpf. Erwachsene erleiden aufgrund ihrer Körpergröße eher Verbrennungen an den Beinen oder Händen."

"Paulinchen" berät und begleitet Familien mit brandverletzten Kindern in jeder Phase nach dem Unfall. Ziel ist es, für jedes Kind individuell die bestmögliche Versorgung zu erreichen. Für seine Arbeit ist der Verein bereits mit dem "Aspirin Sozialpreis 2011" ausgezeichnet worden und ist in diesem Jahr ein "Ausgewählter Ort" bei der Kampagne "Deutschland - Land der Ideen".

Lena kämpfte fünf Wochen um ihr Leben. Sie musste drei Monate in der Klinik bleiben, trägt seit dem Unfall Kompressionsbekleidung am ganzen Körper, damit die Narben nicht wuchern.

Sie hat unzählige Operationen hinter und immer noch vor sich. Sie geht täglich in Therapien, um ihre Beweglichkeit wiederzuerlangen. Narben werden Lena ihr Leben lang an den Unfall erinnern.

Wie bei Dennis. Der heute 15-Jährige erlitt vor fünf Jahren schwere Brandverletzungen, als er in der Nähe des Grills stand und sein Vater Spiritus auf glühende Grillkohle goss.

Dennis lag monatelang in der Klinik, wurde mehrfach operiert, machte jahrelang Krankengymnastik und Ergotherapie. Mit Erfolg: Der Junge braucht heute keine Kompressionsbekleidung mehr.

"Grillen mit Spiritus ist nicht nur leichtsinnig, sondern auch grob fahrlässig. Der Grillunfall mit Brandbeschleunigern wie Spiritus ist zu 100 Prozent vermeidbar", so Adelheid Gottwald. Sie rät: "Hände weg von Spiritus oder anderen Brandbeschleunigern beim Grillen."

Nachbar Horst E. blieb unverletzt. Er wartet auf die Gerichtsverhandlung, da wegen "schwerer fahrlässiger Körperverletzung" gegen ihn ermittelt wird.