Nach 32 Jahren und 80 Tagen sagt die “Mutter Courage“ des Abendblatts Tschüs. 150 Gäste loben ihr Engagement für “Kinder helfen Kindern“.

Hamburg. Sie hatte es sich so fest vorgenommen: "Keine Tränen zum Abschied." Dann flossen sie aber doch. Und zwar bei fast allen der 150 geladenen Gäste im Brahms-Foyer der Hamburger Laeiszhalle. Freudentränen! Genau so einen humorvollen und fröhlichen Abschied hatte sich Renate Schneider gewünscht. Nach 32 Jahren und 80 Tagen sagt die Leiterin des Abendblatt-Ressorts Von Mensch zu Mensch, Trägerin der Hamburger Senatsmedaille "für treue Arbeit im Dienste des Volkes" und des Bundesverdienstkreuzes Tschüs. Und eine Stadt sagt: Danke.

Danke "für einen Menschen, der die Gabe hat, andere mitzureißen", wie Intendantin Isabella Vértes-Schütter es ausdrückt. "Für einen Menschen, der spürt, was gebraucht wird - und der handelt." Danke für eine Frau, "die herausragend ist in der Unterstützung von Bedürftigen, die durch eine beeindruckende Hartnäckigkeit besticht und der stärkste Magnet der Welt ist, wenn es darum geht, Menschen für eine gute Sache das Geld aus der Tasche zu ziehen", sagt Haspa-Vorstandssprecher Harald Vogelsang. Danke für "eine Kollegin, die unermüdlich im Einsatz für kleine und große Hilfsbedürftige war - kraftvoll, herzhaft und entschlossen", wie Abendblatt-Chefreporter Jens Meyer-Odewald es formuliert. Und "danke für einen Menschen, der ein so großes Herz hat, dass im Grunde die ganze Stadt hineinpasst", so Michel-Hauptpastor Alexander Röder.

Mehr als 100 000 Mädchen und Jungen sind es bis heute, die Renate Schneider als treibende Kraft des Abendblatt-Vereins "Kinder helfen Kindern" unterstützt hat. Weit über zwölf Millionen Euro an Spenden hat sie verantwortungsvoll an jene weitergeleitet, die bedürftig sind. Der Verein hat Therapien und Ferienaufenthalte finanziert, bei der Anschaffung behindertengerechter Sport- und Spielgeräte unterstützt, Kosten für medizinische Apparate und Prävention übernommen und individuell in zahlreichen Einzelfällen geholfen, Kinderschicksale zu erleichtern.

"Renate Schneider ist die personifizierte Nächstenliebe", sagte Ulrike Murmann, Hauptpastorin der Kirche St. Katharinen. "Sie ist ein Geschenk für Hamburg." Ingo Heeschen, Präsident des Lions Clubs Elbphilharmonie, bedankte sich bei Renate Schneider für "ihr großes Herz fürs Leben, die Kinder, die Menschen in Not. Für ihr Engagement, die Freundschaft, Lebensklugheit, ihren Biss und Charme" mit einem Bild des Künstlers Noah Wunsch. "Es trägt den Namen Lichtblicke", sagte Heeschen. "Mögen Sonne, Mond und Sterne dich weiter mit ihrem Strahlen begleiten. Und bleib auf der Sonnenseite des Lebens."

Professor Gerd-Winand Imeyer, Honorarkonsul von Bulgarien, würdigte Renate Schneider als eine Anlaufstelle für Menschen in Not. "Sie hat Hamburg maßgeblich auf dem Weg zu einer Stadt der Solidarität geprägt." Gemeinsam mit Weggefährten wie Eberhard Möbius, Autor, Schauspieler und Gründer des Kulturdampfers "Das Schiff". Dieser brachte zur Verabschiedung noch einmal seine alte Leiter mit, von deren Sprossen aus er schon in den 1970er-Jahren Projekte wie den Kinder-Bastelbasar in der Ernst-Merck-Halle und später im Hanse-Viertel moderiert hat. "Wir hatten eine wunderbare Zeit", sagte Möbius zur Verabschiedung. "Ich habe dich stets vor Engagement übersprudelnd erlebt, mit tollen Ideen wie dem Hilfsprojekt 'Kinder singen für Kinder' oder den Märchen im Michel. Und ich hoffe, dass du weiterhin viele Menschen begeistern kannst, Kindern und Jugendlichen zu helfen, die in Not sind."

Ein besonderer Überraschungsgast war Sänger und Songschreiber Rolf Zuckowski, der Renate Schneider gemeinsam mit dem Kinderchor der Staatlichen Jugendmusikschule einen Herzenswunsch erfüllte und das alte Volkslied "Winde weh'n, Schiffe geh'n" anstimmte. "Wer Kinder zum Singen bringt, macht die Welt heller", sagte Zuckowski. "Und Frau Schneider verdanken wir eine ganze Menge an Helligkeit."

Sie selbst verspricht, an anderer Stelle weiterzumachen, Vorträge zu halten und auf diesem Weg ihre Lebenseinstellung und Motivation an andere weiterzugeben. "Ich möchte anderen eine positive Einstellung zu den Menschen geben. Ihnen vermitteln, dass jeder versuchen sollte, das Leben zu lieben", sagte Renate Schneider. Nur schreiben, das wolle sie nicht mehr.

"Es war eine wundervolle Aufgabe, für die ich sehr dankbar bin. Ich habe meinen Beruf geliebt. Ich habe Demut und Dankbarkeit gelernt, weil ich oft erlebt habe, wie schnell sich ein Leben verändern kann. Und wie wertvoll es ist, wenn eine Hand gereicht wird", so Renate Schneider. Sie hat diese Schicksale in unzähligen Briefen auf ihrem Schreibtisch gehabt. Und sie hat schmerzliche Momente am eigenen Leib erlebt. Als Kind verlor sie ihren Vater, ihren Bruder in ihrer Jugend, ihren Lebensgefährten Harry Hinz vor 20 Jahren. Da war sie Anfang 50. Sie hat allein weitergemacht. Wo immer sie war, für ihre Sache gekämpft, tief überzeugt davon, dass es sich lohnt, an den Menschen zu glauben, Nächstenliebe auch tatsächlich zu leben. Das will sie weiterhin tun und sich wieder mehr Zeit nehmen für ihre Kinder Nicole und Mark sowie die drei Enkeltöchter.

"Die Nachfolgerinnen finden ein wunderbares Feld vor", sagte Michel-Hauptpastor Alexander Röder. "Sie treten in große Fußstapfen. Aber besser als zu kleine, denn die drücken." Nachfolgerin Sabine Tesche hatte sich vorsorglich schon mal mit Turnschuhen Größe 46 gewappnet. "Ich habe großen Respekt vor ihrer Arbeit, die unbedingt auch weitergeführt werden muss. Und ich freue mich darauf, auch ein paar neue Akzente zu setzen." Sabine Tesche wird künftig das Ressort Von Mensch zu Mensch leiten und Ansprechpartnerin für die Fragen und Sorgen der Leser sein sowie die Projektplanung des Vereins "Kinder helfen Kindern" übernehmen. Die kaufmännische Seite des Vereins wird von Vivian Hecker, Leiterin Marketing und Events, betreut.

Ihre Dankbarkeit gegenüber der "Mutter Courage des Abendblatts" brachten die Kollegen der Redaktion in zwei selbst gedrehten Filmen zum Ausdruck. Sie ließen im Brahms-Foyer die liebenswerte und ganz eigene Art von Renate Schneider noch einmal über den Bildschirm flimmern. Ein Geschenk, das die Zuschauer Tränen lachen ließ.