"Ich weiß jetzt das Leben zu schätzen", sagt Jessica heute. Und sie fragt sich selbst: "Warum habe ich es bloß getan, warum?

Es kam vieles zusammen: Meine Eltern trennten sich, als ich sechs Jahre alt war. Sie blieben leider keine gemeinsamen Eltern, sondern ständig nur Gegner. Es fehlte mir Geborgenheit. Seit der Pubertät ging irgendwie alles bergab. Freunde waren wichtiger als die Schule. Mit 16 war ich magersüchtig. Und dann das Schlimmste: Meine große Liebe machte einfach Schluss. Freunde versuchten, mich zu trösten, aber ich war satt vom Leben, wollte nicht mehr kämpfen. Es war der 3. Mai 2008. Ein schöner sonniger Nachmittag. Ich ging wie im Rausch die Notfalltreppe eines Hotels hinauf - ich hatte Angst - aber wollte sterben. Von da an weiß ich nichts mehr.

Ich lebe noch - und das ist gut so. Ich werde geliebt, von meinen Eltern, meinen Geschwistern. Ich habe gute Freunde. Ihnen allen habe ich durch meine Tat viel Leid zugefügt, auch den Helfern, die mich zerschmettert in meiner Blutlache fanden. Den Ärzten im Wandsbeker Krankenhaus habe ich sehr viel zu verdanken. Leider kann ich die Zeit nicht zurückdrehen. Es war mir vorher nicht bewusst, welch ein Glück es ist, einen gesunden Körper zu haben. Ich werde nach vorne schauen. Es ist ein harter Weg, doch ich habe noch viel vor. Und ich weiß, es ist kein Mensch wert, sich seinetwegen das Leben zu nehmen."