Die Pilotprojekte “Soziale Jungs“ und “Paten-T“ sollen aus Knaben ganze Kerle machen

Hamburg. Lavdrim gibt nachmittags gern den "Beatboxer" und imitiert mit Mund, Nase und Rachen Schlagzeugrhythmen. Oder der schlaksige Junge spielt Fußball und trifft sich mit Freunden. Ein Teenie-Leben eben. Mittwochs aber widmet sich der 17-Jährige ein halbes Jahr lang alten Menschen in einem Pflege- und Altenheim in Heimfeld. Lavdrim nimmt teil am Projekt "Soziale Jungs Hamburg", das jetzt offiziell gestartet worden ist.

Reden ist nicht die größte Stärke von Lavdrim aus Wilhelmsburg und seinem Mitschüler Gökhan, 15, aus der Parallelklasse. Eine Unterhaltung mit den beiden kann ein bisschen stockend verlaufen. Aber wenn sie mit dem 88-jährigen Hans Bewerich "Mensch ärgere dich nicht" spielen, ist alles anders. Alten Menschen, sagen sie, hören sie gern zu. "Die können erzählen, wie es früher war. Dabei kann ich viel lernen", sagt Lavdrim. "Der eine erzählte mir von seinen beiden Kindern und dass er wieder zurück möchte nach Hause."

Gökhan und Lavdrim gehen in die 9. Klasse der Stadtteilschule Stübenhofer Weg. Einmal pro Woche verbringen sie einen Arbeitstag bei Pflegen & Wohnen. Sie machen mit, wenn die Senioren ihr Gedächtnis trainieren. Sie spielen mit ihnen Gesellschaftsspiele, helfen in der Cafeteria oder hören einfach nur zu.

Das neue Projekt "Soziale Jungs", eine Kooperation des Arbeiter-Samariter-Bundes und der Agentur Männerwege, das von der Sozialbehörde mitbezahlt wird, hat das Ziel, einen Freiwilligendienst für männliche Schüler zwischen 13 und 16 Jahren aufzubauen. Warum so ein Jungenprojekt? "Es geht darum, dass sich Jungs soziale Arbeitsfelder erschließen können", sagt Projektleiter Alexander Bentheim. Außer in Alten- und Pflegeheime können die Jungs auch in Kitas gehen. Bentheim: "Die Jungs lernen dort Menschenkenntnis, sie lernen Konflikte zu lösen und zu organisieren." Die sozialen Kompetenzen und das Selbstwertgefühl werden gestärkt. "Ziel ist es ebenfalls, einen Beitrag zu einem ausgewogeneren Geschlechterverhältnis in Erziehung und Pflege zu leisten."

Und dieses ausgewogene Geschlechterverhältnis ist wichtig - auch für die Jungs selbst. Jungen fehlt es an männlichen Vorbildern. "Wenn Jungen nur noch wenig Kontakt zu Vater, Onkel, Großvater oder anderen geeigneten Männern haben, dann fehlt ihnen ein identitätsstiftendes und lebensförderndes Modell", sagt Frank Beuster, Lehrer an der Stadtteilschule Bergstedt. Es sei auffällig, dass besonders in Kindertageseinrichtungen und an Grundschulen Männer fehlen. Beuster bekommt es hautnah zu spüren, was dieser Männermangel für Folgen haben kann. "Jungs fallen häufiger als Mädchen auf, stören den Unterricht, machen nicht mit." Ihnen fehlt es häufig an Angeboten, die sie faszinieren und motivieren. Frank Beuster fordert: "Männer, kümmert euch um Jungs!" Sein Projekt "Paten-T für Jungen" versucht die Männer dazu zu motivieren. Etwa einmal im Monat kommt eine Gruppe von zehn bis 15 Jungen mit möglichst genauso vielen Männern in der Schule zusammen, und dann machen sie "Jungssachen", wie Fichten schlagen im Wald, eine Nachtwanderung oder ein Tipi bauen. Sie gehen aber auch gemeinsam in die Küche. Die Paten sind Rentner, aber meistens Väter, deren Söhne in die Stadtteilschule gehen oder gegangen sind. Mittlerweile ist das Projekt auf sechs Schulen in ganz Hamburg ausgeweitet worden.

Solche reinen Jungsaktivitäten seien notwendig, weil sie im Schulalltag keine Möglichkeit haben, Hierarchien zu testen, ihren Bewegungsdrang auszuleben oder etwas Handfestes wie ein Tipi-Zelt zu bauen. Beuster: "Wenn ihre Abenteuerlust gestillt ist, sind die Jungs auch wieder offen fürs Lernen."

Auch die sozialen Einrichtungen profitieren von den jungen Helfern. Lavdrim und Gökhan, die sich sozial im Alten- und Pflegeheim engagieren, sind für das Haus eine Bereicherung: "Für unsere Bewohner ist es ein Höhepunkt des Tages, wenn die jungen Menschen kommen und sie denen noch etwas beibringen können", sagt die Leiterin Anja Twardy. Hans Bewerich ist begeistert: "Die machen sich gut. Alte Menschen gibt es hier ja schon genügend."