Fremdsprache wird in Hamburg bereits in der ersten Klasse unterrichtet. Ein Besuch in der Grundschule An der Seebek

Bramfeld. "Close your eyes", sagt Irmgard Kreienkamp, schaut die Kinder an und schließt langsam ihre Augen. Die 18 Knirpse in der Runde hören ihr zu, beobachten, was die Lehrerin vormacht, und tun es ihr nach. Irmgard Kreienkamp setzt schnell einen Weihnachtsmann aus Plüsch in die Mitte des Stuhlkreises und drapiert Geschenke drum herum. "And now open your eyes again". Die Erstklässler klappen auf Kommando die Augen auf. "Santa Claus is bringing presents", sagt die Englischlehrerin. Nun darf Pascal seiner Klassenkameradin Jennifer im Auftrag des Weihnachtsmanns ein Geschenk übergeben. "Thank you", sagt das Mädchen. "You are welcome", antwortet Pascal. Bei den Erstklässlern der Schule An der Seebek steht "Learning English" auf dem Stundenplan. Seit diesem Schuljahr lernen Hamburgs Kinder ab der ersten Klasse Englisch, bisher starteten die Jungen und Mädchen in Klasse 3 mit der ersten Fremdsprache.

"Die meisten Eltern verbinden Fremdsprachenlernen mit Vokabelnpauken", sagt Kreienkamp, Englischlehrerin an der Schule an der Seebek in Bramfeld. "So haben sie in der Schule schließlich auch Englisch gelernt." Deshalb reagierten Väter und Mütter gelegentlich irritiert, wenn ihre Kleinen weder englische Wörter in Vokabelhefte schrieben noch der Reihe nach auswendig büffelten. Stattdessen hüpfen sie singend und reimend umher. "Ich erkläre dann immer, dass die Kinder früher älter waren, als sie mit der Fremdsprache loslegten." Aber nicht nur deshalb ist Englischunterricht heute nicht mehr mit dem von vor 20 Jahren vergleichbar. "Die Spracherwerbsforschung ist ein Stück vorangekommen. Im Chor sprechen, singen, sich mit Hilfe von Fotos und Bildern an Begriffe erinnern bedeutet auch, sich spielerisch einer Sprache zu nähern - immer im Austausch mit den Mitschülern. Das Lernziel im Englischunterricht für Erstklässler haben die Hamburger Bildungsplaner mit "Entwicklung eines ersten Sprachbewusstseins" in der Fremdsprache formuliert. Wie sich die Pädagogen dem Ziel nähern, bleibt den Fachkonferenzen der Schulen überlassen.

An der Schule An der Seebek lernen die Erstklässler mithilfe der Themen "Farben und Zahlen", "Meine Schulsachen", "Meine Familie", "Essen", "Tiere" sowie "Feste und Ereignisse im Laufe des Schuljahres" die ersten Wörter und Sätze verstehen und sprechen. Die Erstklässler können sich nach knapp einem halben Jahr auf Englisch begrüßen und verabschieden, sie können Fragen nach Alter und Befinden stellen und beantworten. Mahmoud, Mousa, Raiy, Pascal, Amelie und Jenny können das Lied "Happy Birthday to you" singen, auf Englisch bis zehn zählen, weil sie das Lied "Ten Red Apples" und den Zahlenreim "One, two, three - come to me" gelernt haben und beim Spielen ständig wiederholen. Sie wissen aus dem "Schoolbag song", dass "rubber" das Radiergummi ist, "glue" der Klebstoff und "pencil case" ihr Federmäppchen.

Das müssen sie, denn: Unterrichtssprache im Englischunterricht ist natürlich Englisch. Derzeit ist Weihnachten das Thema. Die Erstklässler backen mit ihrer Lehrerin Kekse und wissen danach, dass dazu "sugar, flour, butter, eggs" und "baking soda" nötig sind, um "christmas cookies" herzustellen.

150 bis 200 englische Wörter kennen die Schüler zum Übergang in Klasse 2, schätzt Irmgard Kreienkamp. Und sie können kurze, einfache Sätze sprechen. "Das Schreiben der Wörter kommt erst in den nächsten Schuljahren", so Kreienkamp. Wichtig sei, dass die Kinder ein Sprachgefühl entwickelten und Englisch ohne Hemmungen sprechen. Der fachdidaktische Begriff für eine Sprachlehrmethode im Erstklässlerunterricht lautet "Total Physical Response". Das Lernen orientiert sich dabei am Erwerb der Muttersprache: Auch da entwickelt sich die Sprachfähigkeit zuerst durch eine Phase des Hörverstehens. Sprachanfänger lernen sehr viel durch Beobachten, Nachahmen von Bewegungen, Nachsprechen und Wiederholen. So funktioniert auch der Erstklässlerunterricht bei Kreienkamp.

Dem Englischunterricht folgt eine Stunde des freien Arbeitens und Malens. Die Lehrerin beendet ihre Stunde daher stets mit einem Bewegungsspiel. Sie steht auf und macht sich ganz lang. "Stretch up tall", sagt sie. Die Kinder folgen ihrem Beispiel und sprechen ihr nach. Dann geht die Lehrerin in die Knie und macht sich ganz klein. "Make yourself small". 18 Erstklässler machen sich rund. "Popcorn, gameboy, swimmingpool", ruft Kreienkamp schließlich in die Runde. Die Kinder lachen, klatschen in die Hände und antworten im Chor: "We speak English cool."