17 Wilhelmsburger Schüler verfassen einen Gemeinschaftsroman über ihren Stadtteil. “Die Lieberfischs“ gibt es jetzt zu kaufen.

Wilhelmsburg. Yuki wäre gerne Deutschlands erste Bundeskanzlerin geworden. Aber dann hat Ehemann Dennis den Job als Lehrer in Wilhelmsburg bekommen, und so blieb ihr nur die Kommunalpolitik - und das Ehepaar Lieberfisch auf der Elbinsel. Tochter Luisa, 12, hat ein nicht ganz elternkompatibles Hobby. Sie lässt sich piercen, wo immer eine Stelle frei ist, und die schriftliche Erlaubnis der Eltern, die sie im Studio Pain & Piercing fürs Löchern vorlegen muss, die fälscht Luisa natürlich. Ihr Bruder Hans, Medizinstudent, verdödelt seine Zeit mit Kumpel Burner und einer Landwirtschaftssimulation vorm Computer, um virtuelle Schweine zu füttern. Und dann sind da noch der Polizist Ricardo da Pinto, dessen Sohn und Mädchenschwarm Alessandro, Piercer Murat, der 106-jährige Uropa Siegmar und diverse schräge Typen, die Wilhelmsburg aufmischen.

All diese Charaktere sind in den vergangenen zwei Monaten der Fantasie von 17 Mädchen und Jungen entsprungen. Gemeinsam mit ihrem Lehrer Florian Schreiter und der Hamburger Autorin Maren Töbermann haben die Achtklässler die Figuren in eine Handlung eingebettet. Das Ergebnis: der Wilhelmsburg-Roman "Die Lieberfischs", eine 133 Seiten starke Familiensaga mit verwahrlosten Lehrerkindern, naiven Landwirten, kriminellen Studenten, Rentnern jenseits der 100 und brutalen Kommunalpolitikern in der Hauptrolle. Es geht um Geld, Erpressung und um die Liebe. Das ist der Stoff, aus dem Bestseller gemacht werden.

Gut acht Wochen haben die Schüler an ihrem Werk im Profilunterricht "Medienwelt" gearbeitet. "Jeden Dienstag haben wir die Ideen gesammelt", sagt Autor Hassan. "Dann haben wir drüber geredet, abgestimmt, wie es weitergehen soll." Diskussionsbedarf gab es bei der Konstruktion einer Erpressung und bei der Suche nach einem Geldversteck in der fiktiven Wilhelmsburger Welt. "Geschrieben haben wir auch oft zu Hause."

Autorin und Projektinitiatorin Maren Töbermann hat die Schülertexte "allenfalls leicht geglättet", die einzelnen Episoden zusammengefügt und Übergänge geschaffen. Das Gesamtwerk war nur mit Arbeitsteilung möglich. "Die einen haben den Text geliefert, die anderen die Ideen", sagt Maren Töbermann. Defne ersann die Dialoge zwischen Zungengepiercten, Aynur und Marco schrieben Rentner-E-Mails, Merve wusste, wann Brüder beleidigt sind. Sharon lieferte den Familienamen Lieberfisch, Vanessa und Jennifer Insider-Wissen aus der Piercing-Branche.

Inzwischen ist der Roman gedruckt. Die erste Auflage beträgt 120 Exemplare, 20 sind bereits verkauft. Die Wilhelmsburger Buchhandlung Lüdemann an der Fährstraße 26 hat den Roman vorrätig. Das Buch kostet acht Euro. "Die Hälfte der Einnahmen geht an den Schulverein, der das Projekt finanziert hat", sagt Defne. Die andere Hälfte geht in die Klassenkasse. "Davon machen wir dann mal einen schönen Ausflug", fügt Hilal hinzu.

Am Freitag, 26. November, werden die Schüler ihr Werk ab 17.30 Uhr im Bürgerhaus Wilhelmsburg vorlesen. So viel sei hier verraten: "Die Lieberfischs" endet im Großen und Ganzen happy. Mutter Yuki wird 2017 immerhin Außenministerin. Dennis Lieberfisch kriegt den Schulleiter-Job. Luisa lässt sich vom Dermatologen Murat die Piercing-Löcher weglasern. Klappt's mit Luisa und ihrer großen Liebe Alessandro? Die Antwort steht im Buch.