“Jugend debattiert 2010“: diskutiert wurde über Nacktscanner und die Umstrukturierung der Sternschanze.

Hamburg. Konzentriert beugt sich Manuel Holtmann über seine Notizen. In wenigen Minuten ist es so weit: Das Landesfinale von "Jugend debattiert" beginnt. Manuel muss dann 24 Minuten lang alles geben. Er muss sich konzentrieren, er muss zuhören und vor allem messerscharf argumentieren.

Langsam füllt sich der Große Festsaal des Hamburger Rathauses. Das warme Licht der Kronleuchter spiegelt sich in dem glänzenden Parkett. Manuel geht noch einmal seine Argumente durch. Den Zettel darf er nicht mit aufs Podium nehmen, alles muss sitzen. Am Wochenende hat sich der 19 Jahre alte Abiturient extra freigenommen, ist nicht auf Partys gegangen. "Ich muss mich einfach sicher fühlen", sagt er. Sicher genug, um gleich besser zu sein als die anderen drei.

Zu viert treten die Debattanten im Landesfinale an, das von Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) eröffnet wurde. In der ersten Runde argumentieren Neunt- und Zehntklässer darüber, ob man die sogenannten Nacktscanner an deutschen Flughäfen installieren sollte. In der zweiten Runde dann sind die Oberstufen-schüler dran. Eine Jury kürt die zwei jeweils Besten, die dann nach Berlin zum Bundesfinale fahren. Das Thema von Manuel und seinen drei Konkurrenten: Soll Hamburg der Gentrifizierung des Schanzenviertels gezielt entgegenwirken? Die Glocke läutet, die Redeschlacht beginnt.

Manuel, so wurde es vorher festgelegt, vertritt zusammen mit dem ebenfalls 19-Jährigen Tobias Manner-Romberg die Kontra-Position. "Das ist gar nicht so einfach, denn meine persönliche Meinung war eigentlich eine andere", sagt Manuel. Gentrifizierung, das ist die Umstrukturierung eines Stadtteils, die gezielte Aufwertung, die aber oft die Kosten nach oben treibt und daher die Alteingesessenen und nicht so kaufkräftigen Bewohner vertreibt. Manuels Hauptargument: Gentrifizierung macht das Image der Schanze über die Landesgrenzen hinaus bekannt und sollte deshalb nicht eingedämmt werden. Die Gegenseite aber sieht das anders: Gentrifizierung vertreibe vor allem finanzschwache Menschen wie Künstler und Kulturschaffende und schade damit der Schanze. Dem fast vollen Saal wird schnell klar: Alle vier Teilnehmer wissen genau, wovon sie sprechen. Manuel ist angespannt. Das Publikum und die Fotografen blendet er aus. Die Zeit fliegt.

Jeder hat zwei Minuten für ein Eingangsstatement, dann folgen zwölf Minuten freie Debatte, und am Ende bekommt jeder die Gelegenheit für ein Schlussplädoyer. Dann läutet die Glocke wieder, und die Debatte ist vorbei. Jetzt muss sich die Jury beraten. Vorher darf aber noch das Publikum abstimmen, welche der beiden Seiten überzeugender war. Die roten und grünen Pappkarten, die hier jeder vor Beginn der Veranstaltung bekommen hat, werden abwechselnd in die Luft gehalten. In diesem Fall ist das Ergebnis unentschieden, beide Farben sind etwa gleich stark vertreten. Beide Seiten haben überzeugend argumentiert.

"Wir hatten zwar zehn Tage Zeit, um uns auf das Thema vorzubereiten", sagt Manuel, "aber wir haben erst kurz vorher erfahren, welche Position wir einnehmen werden." Seit zwei Jahren ist Debattieren sein Hobby, und zwar in einer Schul-AG, die er selbst gegründet hat. Braucht man zum professionellen Debattieren ein Grundtalent oder kann man es lernen? "Beides", glaubt Manuel, "es gibt zwar bestimmte Techniken, aber eine gewisse Souveränität sollte man mitbringen." Dann ist es so weit: Das Ergebnis steht fest. Manuel hat es geschafft. Zusammen mit dem Zweitplatzierten, Tobias Manner-Romberg, wird am 20. Juni nach Berlin fahren. Nicht nur die Anspannung, sondern auch eine Zentnerlast Steine fallen von ihm ab. Lächelnd nimmt er seine Urkunde entgegen."Das war anstrengender als die schriftliche Abi-Prüfung", sagt er.