Vor allem Jungen aus sozial schwachen Familien und mit Migrationshintergrund sitzen länger vor TV und PC als vor ihren Schulbüchern.

Hamburg. Der negative Einfluss von Fernseher, Computer und Playstation auf die schulischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen nimmt bedrohliche Ausmaße an. Vor allem Jungen aus sozial schwachen Familien und mit Migrationshintergrund sitzen deutlich länger vor TV und PC als vor ihren Schulbüchern. Die Folge: immer mehr Sitzenbleiber, Schulabbrecher sowie Sonder- und Hauptschüler.

"Das kann sich ein Staat, der unter einem starken Geburtenrückgang leidet, einfach nicht leisten", sagte Professor Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, gestern auf dem ersten Medienkompetenztag in Hamburg. Um jeden Schüler zu seiner persönlichen Höchstform zu bringen, müssten endlich flächendeckend Ganztagsschulen eingeführt werden - aber nicht als "Kinderbewahr- und Paukanstalt mit Suppenküche zwischendrin", sondern als Ort, der durch Sport, Musik, Theaterspielen und soziales Lernen die "Lust am Leben" wecke. Nur so ließe sich vermeiden, dass Jugendliche nachmittags vor dem Computer oder der Playstation in soziale Isolation gerieten, der sie wiederum mit erhöhtem Medienkonsum begegneten.

In zahlreichen Studien hat Christian Pfeiffer in den vergangenen vier Jahren den Einfluss von Medienkonsum auf Schullaufbahn und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen untersucht. Dabei wird deutlich: Je mehr Zeit sie mit dem Konsum dieser Medien verbringen und je brutaler die Inhalte sind, desto schlechter sind ihre Schulnoten. Die großen Verlierer sind vor allem Jungen - die Mädchen sind längst an ihnen vorbeigezogen. Sie liegen bei der Quote der Gymnasialempfehlungen um beachtliche sieben Prozentpunkte vor den Jungen (41 zu 34 Prozent) und haben auch beim Abitur aufgeholt: Waren die Anteile unter den Abiturienten 1990 noch ausgeglichen, lag das Verhältnis Junge/Mädchen 2007 bei 43:57 Prozent. Bei den Uni-Absolventen ist das Ergebnis noch deutlicher: "Waren 1990 noch 64 Prozent männlich, werden es demnächst nur noch 45 Prozent sein", prophezeite Professor Pfeiffer den 300 Zuhörern im Mediencampus an der Finkenau.

Die Elite sei heute weiblich - im Erstsemester Medizin etwa läge der Frauenanteil wegen des hohen Numerus clausus bei 67 Prozent. Die Leistungskrise der Jungen beruhe größtenteils auf dem höherem und inhaltlich problematischerem Medienkonsum, den sie im Vergleich zu den Mädchen zeigten. Eltern würden das unterstützen, indem sie schon jungen Schülern eigene Computer und Playstations erlaubten und dem "Sog der Mattscheiben" wenig entgegensetzen würden. Von 8000 befragten Viertklässlern, so Pfeiffer, besaßen mehr als doppelt so viele Jungen (38 Prozent) wie Mädchen (15 Prozent) eine eigene Spielekonsole. Sie verbrächten an Schultagen bis zu drei Stunden davor, am Wochenende weitaus mehr. Nicht zu unterschätzen ist nach Pfeiffers Meinung der hohe Suchtfaktor von Computerspielen. Bundesweit gälten pro Jahrgang mehr als 24 000 Jungen und 3000 Mädchen als gefährdet. Trotzdem bezeichnete Pfeiffer Deutschland in Sachen Abhängigkeit als "Starterland" - in China gebe es rund 10 Millionen Süchtige.