Durch Ausprobieren sollen Reize und Gefahren erkannt werden. Medienpädagoge: Elternbindung schützt vor Aggressivität.

Barsbüttel. "Da komme ich richtig ins Schwitzen", sagt Angela Tsagkalidis. Sie steht angespannt vor der Leinwand, auf der kleine Figuren Tennis spielen. In ihrer Hand hält sie ein kabelloses Steuergerät. Wenn die Barsbüttelerin den Arm mit dem Gerät hebt, drischt die Spielfigur den gelben Ball übers Netz. "Der war Aus", sagt Spielgegnerin Susanne Stricker aus Stapelfeld. Und fügt hinzu: "Da kommt Ehrgeiz bei mir auf. Den Dreh hat man schnell raus." Dann setzt Angela Tsagkalidis zum nächsten Aufschlag an. "Zack - siehste? Ein Ass." Die beiden Frauen haben Spaß am Computerspiel.

Gut 20 Eltern sind an diesem Abend in die Integrierte Gesamtschule Barsbüttel gekommen, um Computerspiele auszuprobieren. Der Kieler Medienpädagoge Henning Fietze erklärt, welche Arten von Computer- und Konsolenspielen es gibt. Die Aktion wird vom Familienministerium und dem Offenen Kanal Kiel unterstützt. Durch das Ausprobieren sollen die Eltern erkennen, worin der Reiz und die Gefahren solcher Spiele liegen.

Die meisten Eltern sind begeistert. Können nachvollziehen, warum ihre Kinder oft so gebannt vor dem Monitor sitzen. In Runde zwei geht es brutaler zu. Der Ahrensburger Jan Hitzeroth sitzt angespannt vor dem Computer. Versucht, in einem dunklen Lagerraum einen Gegner mit Schüssen aus einem Maschinengewehr zu treffen. Hitzeroth sieht nur das Gewehr in seiner Hand, blickt in den Raum. Mit der Computermaus steuert er die Blickrichtung. Der Gegner hat sich hinter einer Holzkiste verschanzt, feuert zurück. Es knallt. Das Bild wackelt. Hitzeroth wird getroffen. Auf dem Monitor erscheint der Satz: "Du wurdest eliminiert." Den Bauchschuss spürt Jan Hitzeroth tatsächlich - durch ein Vibrieren am Bauch, das eine Spezialweste überträgt. Hitzeroth: "Total realistisch. Ich spüre den Bauchschuss. Jetzt strenge ich mich mehr an." Am Computer neben ihm schlägt gerade die Spielfigur von Angela Tsagkalidis und Susanne Stricker brutal mit einem Baseballschläger auf eine Person ein, die ihr auf der Straße entgegenkam. "Hey, der hat dir doch gar nichts getan", sagt die eine Mutter - irgendwie muss sie über die brutale, aber auch alberne Szene lachen. Susanne Stricker ist nicht begeistert: "Das ist nichts für mich."

Einige Eltern erzählen später, sie seien aggressiv geworden, ihre Hemmschwelle sei während des Spiels gesunken. Medienpädagoge Fietze berichtet, dass es seit Jahren einen Wissenschaftsstreit über den Zusammenhang von aggressiven Jugendlichen und solchen Ballerspielen gibt. Dass die Spiele sogar Auslöser für Amokläufe sein könnten, sei aber nicht bewiesen. Jedenfalls nicht bei solchen Jugendlichen, die eine ausreichende Bindung zu ihren Eltern haben.

Das sehen auch die beiden Mütter so. Die Bindung und das Verhältnis zu den Kindern sei entscheidender als das, was da gerade über den Monitor flimmert. Die Spiele selbst finden sie gar nicht so schlimm. Die abschließende Runde "Counterstrike" macht den meisten Eltern sogar Spaß. Dass sie auf Menschen schießen, sei dabei nebensächlich. "Es hätten auch Bälle sein können." Interessant finden die meisten die Strategie, bei der sich die Spieler miteinander absprechen müssen.

"Der Abend hat mir die Angst vor den Spielen genommen", sagt Angela Tsagkalidis. "Wir haben uns früher auch zu Fantasy-Spielen getroffen. Damals haben wir uns die Welten allerdings nicht am Monitor angeguckt, sondern ausgedacht."