Karl-Friedrich Beck organisiert die 40.400 Klausuren im Doppeljahrgang 2010. Er ist sicher, dass alles reibungslos klappen wird.

Hamburg. Der Mann im blauen Sakko wirkt seriös, distinguiert, sehr hanseatisch. Auf den ersten Blick lässt nichts ahnen, dass Karl-Friedrich Beck (62) in diesen Tagen einer der wichtigsten Geheimnisträger der Stadt ist. Aber da hängt an der Wand dieser Kalender mit den unterschiedlich farbigen Magnetplättchen: Druckaufträge, Kurier, Hotline steht darauf. Auf dem 1. Februar steckt ein gelbes - für die Deutsch-Leistungskurs-Klausuren. "Dann wird es ernst", sagt Beck und streicht sich das schlohweiße Haar aus der Stirn. Als Leiter der Abteilung "Zentrale Prüfungen" der Schulbehörde managt er das Doppel-Abi mit mehr als 13 000 Schülern. "Eine Herausforderung", sagt der frühere Lehrer, dessen Büro in einer ehemaligen Schule in Hamm ist. "Statt 21 000 Klausuren sind es diesmal 40 400."

Das bedeutet: Tausende Aufgabenblätter, die sortiert und pünktlich an den Schulen landen müssen - jeweils in einem mit rotem Spezialklebeband versiegelten Umschlag. Dazu kommen - natürlich separat - die Lehrerexemplare mit den Lösungen. Schon die kleinste Verwechslung würde das ganze Kartenhaus zum Einsturz bringen. Insgesamt bewegt der Prüfungskoordinator zehn Tonnen Papier durch die Stadt - mit höchster Sicherheitsstufe. Deshalb ist auch der Ort, an dem die Aufgaben für die zentralen Abi-Termine (s. Infokasten) jetzt noch lagern, streng geheim. Erst kurz vor Beginn der Prüfungen werden die Pappkartons per Boten an die Schulen gebracht.

Äußerlich gibt sich Beck, der den Job 2004 vor der Einführung des Zentralabiturs übernahm, gelassen. "Wir haben ein funktionierendes System mit einer leistungsstarken Datenbank entwickelt. Das Doppel-Abi ist vor allem eine Frage der Quantität." Die unverrückbaren Fixpunkte im minutiös ausgeklügelten Ablaufplan bleiben: Schon sechs Monate vor dem Abiturtermin hat die Entwicklung der Aufgaben begonnen. Am 1. Dezember waren die Aufgabensätze durch alle inhaltlichen Instanzen und so vorbereitet, dass die Druckereien loslegen konnten. "Auch dabei gelten strengste Sicherheitsauflagen", sagt Beck. Nicht nur, dass die Aufgaben-Entwickler zum absoluten Stillschweigen verpflichtet sind. Die Aufgaben dürfen auch nicht auf Schulcomputern gespeichert werden, auf Privatrechnern nur verschlüsselt.

Wie groß ist die Angst des Prüfungsmanagers, der auch für die schriftlichen Überprüfungen in der zehnten Klasse sowie den Haupt- und Realschulabschluss zuständig ist, vor dem großen Schummelangriff? Beck winkt ab. Nur einmal, vor zwei Jahren, hatten Realschüler einen Teil der Lösungen ihrer Abschlussarbeiten per Handykamera fotografiert und verschickt. Die Ergebnisse waren erheblich besser als sonst - die Sache flog auf. "Die Schwachstelle lag aller Wahrscheinlichkeit nach in der Schule. Die haben die Aufgabenumschläge zu früh geöffnet", sagt Beck. Danach hat er eine Dienstanweisung "Geheimnisverrat" angeschoben. "Auch die Lehrer dürfen die Aufgaben erst am Prüfungsmorgen sehen."

Deshalb sitzt Beck dann ab 7 Uhr an der eigens geschalteten Hotline. Schließlich kann ja auch mal ein Fehler im Druck vorkommen. Wenn es um 9 Uhr für die Schüler losgeht, hat er die erste Etappe geschafft. Mehr Sorgen macht ihm in diesem Jahr allerdings etwas anderes. Denn nach der Erstkorrektur müssen alle Arbeiten Ende März zu einem anonymen Zweitgutachter an einer anderen Schule geschafft werden. "Umbüdeln" heißt das auf seinem wandfüllenden Magnetkalender. "Das ist schon in normalen Abiturjahrgängen eine komplizierte Angelegenheit", sagt Beck. Dieses Mal hat er sich eine Lagerhalle für die Aktion gesichert. Im Mai, rechtzeitig vor den mündlichen Prüfungen, muss alles wieder "zurückgebüdelt" werden. Acht Lieferwagen, alle rappelvoll, werden dann unerkannt mit der brisanten Fracht durch die Stadt fahren. Danach ist sein Job für diesen Abiturjahrgang erledigt. "Richtig spannend wird es nächstes Jahr", sagt er. "Dann macht der erste Jahrgang mit Profiloberstufe Abitur, und es wird wegen der unterschiedlichen Fächerkombinationen richtig komplex." Es hört sich so an, als ob der Prüfungsmanager sich auf die Herausforderung freue.