Volksdorf

SUV überrollt Schwerverletzten – Seniorin stellt sich

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Daniel Herder
Ein Kompakt-SUV Toyota RAV4 (Archivbild).

Ein Kompakt-SUV Toyota RAV4 (Archivbild).

Foto: Slavko Midzor / picture alliance / PIXSELL

Nach einem Unfall fährt die 73-Jährige dem am Boden liegenden Mann über die Beine. Ist ihre Erklärung dafür eine Schutzbehauptung?

Hamburg. Eine Autofahrerin überrollt mit ihrem SUV einen Mann, der nach einem ersten Unfall bereits schwer verletzt auf der Straße liegt. Danach macht sie sich aus dem Staub. Inzwischen hat sich die mutmaßliche Unfallverursacherin zwar bei der Polizei gemeldet – doch die Frage nach dem Tathergang bleibt offen.

Schon die Vorgeschichte klingt abenteuerlich. Nach Angaben der Polizei verließ das spätere Opfer, ein 73 Jahre alter Mann, gegen 19 Uhr am Dienstagabend sein an der Straße Uppenhof (Volksdorf) abgestelltes Auto und lief auf die Fahrbahn. Doch statt sie zügig wieder zu verlassen, blieb er aus „bislang unbekannten Gründen“ einfach dort stehen, so die Polizei am Mittwoch.

Eine 60 Jahre alte VW-Polo-Fahrerin habe ihn zu spät wahrgenommen und nicht mehr rechtzeitig bremsen können. Ihr Auto habe den Mann erfasst und auf die Fahrbahn geschleudert. Ersthelfer seien daraufhin zu dem am Boden liegenden Verletzten geeilt und hätten den fließenden Verkehr angehalten.

Schwerverletzten überrollt – SUV-Fahrerin stellt sich

Während mehrere Autos vor der Unfallstelle warteten, sei ein Pkw aus der Auto-Schlange ausgeschert, dem Verletzten über die in den Gegenverkehr ragenden Beine gefahren und dann geflüchtet. Horst S. kam mit einem gebrochenen Fuß und einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus. Lebensgefahr bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt. Von der Polizei zu dem Geschehen befragt, gab der 73-Jährige an, keinerlei Erinnerungen mehr daran zu haben.

Im Laufe des Mittwochs habe sich die mutmaßliche Unfallverursacherin, eine 73 Jahre alte Frau, dann beim Polizeikommissariat 35 in Poppenbüttel gemeldet, sagte Polizeisprecher Daniel Ritterskamp auf Anfrage. Nach Informationen des Abendblattes soll sie in ihrer Vernehmung angegeben haben, dass sie die Situation – es war dunkel und regnerisch – nicht realisiert habe. Sie habe nicht gesehen, dass jemand schwer verletzt auf der Straße lag. Sie habe auch nicht in einer Schlange wartender Autos gestanden, sondern sei mit ihrem SUV vom Typ Toyota RAV4 die Erste vor der Unfallstelle gewesen.

Ist die Erklärung der Frau eine Schutzbehauptung?

Dass es sich bei dem Mann, der sich ihr dann auf der Straße in den Weg stellte, um einen der Ersthelfer handelte, habe sie nicht erkannt. Da sei sie mit ihrem Auto an ihm vorbeigezogen. Sie habe zunächst geglaubt, einen auf der Straße liegenden Gegenstand überfahren zu haben. Warum sie sich am nächsten Tag trotzdem bei der Polizei meldete, ist unklar – möglicherweise hatte die ältere Dame die ersten Presseberichte über den Unfall gelesen.

Gegen sie ermittelt die Polizei jetzt wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort und fahrlässiger Körperverletzung. Ob es sich beim Geschehen, so wie es die 73-Jährige schilderte, letztlich um reine Schutzbehauptungen handelt, müssen die Ermittler jetzt aufklären – dabei können sie offenbar auf eine Reihe von Zeugenaussagen zurückgreifen.

Hamburgs Autofahrer zählen zu den aggressivsten in Deutschland

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrates, Christian Kellner, warnt vor zunehmender Verrohung im Straßenverkehr: "'Platz da statt Rücksicht nehmen' scheint ein immer häufigeres Phänomen im Straßenverkehr zu sein. Keine Rettungsgasse bilden, sich am Verkehr vorbeischlängeln sind leider an der Tagesordnung."

Kellner appelliert an alle Verkehrsteilnehmer: "Im Straßenverkehr kommt es auf jeden und jede an: Nehmen Sie Rücksicht, retten Sie so Menschenleben.“ Vor zwei Jahren hat der Rechtsschutzversicherer Advocard für eine Studie 1,7 Millionen Streitfälle ausgewertet und dabei festgestellt: Die Autofahrer in Hamburg zählen – ähnlich wie in anderen Ballungsräumen auch – zu den aggressivsten in Deutschland.

Sie gehören zudem zu den unzufriedensten, wie der ADAC in einer weiteren Studie herausfand. Verkehrspsychologen sehen eine Ursache für beide Phänomene auch in den immer knapper werdenden Räumen durch das steigende Verkehrsaufkommen. Die Stadt hat deshalb im März eine Kampagne für mehr Achtsamkeit im Verkehr ins Leben gerufen, Motto: „Hamburg gibt Acht“. Sie läuft noch bis Dezember dieses Jahres.

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