Die zehn Somalier hatten den deutschen Frachter MS “Taipan“ gekapert. Nach ihrer Haft können sie in Deutschland Asyl beantragen.

Hamburg. Der erste Prozess gegen Piraten in der Bundesrepublik rückt näher: Die zehn Seeräuber, die den deutschen Frachter MS "Taipan" in ihre Gewalt gebracht hatten und am Ostermontag von Elitesoldaten der niederländischen Fregatte "Tromp" gestellt wurden, sind gestern mit einer Militärmaschine vom ostafrikanischen Dschibuti nach Holland ausgeflogen worden.

Wie berichtet, hatte das Amtsgericht Hamburg Haftbefehle gegen die zehn mutmaßlichen Piraten erlassen. "Sobald sie in den Niederlanden ankommen, wird die Hamburger Staatsanwaltschaft ihre Auslieferung betreiben", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. "Es kann recht schnell gehen - vorausgesetzt, die Beschuldigten sind mit dem vereinfachten Auslieferungsverfahren einverstanden." Allerdings könnten sich die Verdächtigen juristisch zur Wehr setzen. "Im schnellsten Fall werden sie Ende nächster Woche überstellt, im ungünstigsten Fall Ende Mai. Der Haftbefehl wird in jedem Fall vollstreckt."

Die 15-köpfige Crew der MS "Taipan" hatte sich vor den somalischen Hijackern in einen Sicherheitsraum gerettet. Deshalb qualifiziert die Staatsanwaltschaft die Tat als versuchten erpresserischen Menschenraub. Darauf steht wenigstens fünf Jahre Gefängnis. Fest steht: Verhandelt und vollstreckt wird in Hamburg, weil die Reederei der MS "Taipan" hier ihren Sitz hat. "Im Fall der Anklageerhebung wird das Verfahren vor einer Großen Strafkammer des Landgerichts verhandelt", sagt Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn.

Den Männern die Tat nachzuweisen dürfte den Ermittlern nicht allzu schwerfallen. Denn die von der königlich-niederländischen Marine am Tatort gesammelten Beweise scheinen erdrückend zu sein: "Wir haben Lichtbilder von den Tatwerkzeugen. Auch Zeugenaussagen liegen uns vor", sagt Möllers. Und: Die Piraten waren überwältigt worden, nachdem sie das Schiff gekapert hatten.

Jedem Verdächtigen steht ein Pflichtverteidiger zu. Sollten sie alle über 21 Jahre alt sein, müssten sie sich gemeinsam vor der Erwachsenenstrafkammer verantworten. Allerdings liegt der Staatsanwaltschaft bislang nur das Geburtsjahr eines Tatverdächtigen vor: "1983". Möglicherweise könnten die Seeräuber nach Verbüßen der Haftstrafe sogar Asyl beantragen, da hierzulande ein Abschiebestopp für Somalia gilt.

Im März 2009 hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft zuletzt einen Haftbefehl gegen neun Piraten beantragt, die die MV "Courier" angegriffen hatten. Da sie die Attacke vor der Küste Somalias jedoch im Schutzgebiet der EU-Anti-Piraterie-Mission "Atalanta" gestartet hatten, wurden sie vereinbarungsgemäß nach Kenia ausgeliefert und dort vor Gericht gestellt. Im aktuellen Fall kreuzte die MS "Taipan" außerhalb der "Atalanta"-Zone. Für die Verfolgung dieser Straftat auf hoher See seien die deutschen Behörden zuständig. Möllers: "Wir betreten juristisches Neuland - und sind vorbereitet."