Oppositionelle attackieren Konsulat in der HafenCity, verwüsten Räume im Erdgeschoss - zeitgleich Anschläge in Berlin, Wien und Genf.

HafenCity. Sonnabendnacht in der HafenCity: Hamburgs neuer Stadtteil wirkt ruhig und verlassen. Kaum ein Mensch ist auf den Straßen, durch die ein kalter Herbstwind fegt. Gegen 1 Uhr ist es jedoch vorbei mit der Ruhe: 30 Demonstranten versammeln sich mit Transparenten vor dem Honorarkonsulat der Arabischen Republik Syrien an der Osakaallee und stimmen Parolen in arabischer Sprache an. Kurz darauf zertrümmern sie die Scheiben der Eingangstür und einiger Fenster, verschaffen sich gewaltsam Zutritt in das Gebäude mit der Hausnummer 11. Die Gegner des Regimes in Syrien verwüsten Räume im Erdgeschoss, schmieren arabische Schriftzeichen auf Bürgersteig und Fassade, hängen Plakate auf. "Weg mit Assad - Lass die Kinder leben" und "Assad, hör auf, unschuldige Menschen zu töten" steht in großen schwarzen Buchstaben auf den Papieren.

Als die Polizei kurz darauf eintrifft, verlassen die Menschen freiwillig das Gebäude. Ein Demonstrant muss mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden, weil er sich an einer Glasscherbe geschnitten hat. Vier Männer werden wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung festgenommen.

Nicht nur in Hamburg, auch in Berlin, Wien und Genf haben Oppositionelle am Wochenende gegen die Regierung des Präsidenten Baschar al-Assad protestiert. In Berlin drangen etwa 30 syrische Regimegegner ebenfalls in der Nacht zu Sonntag in die Botschaft ein. Sie brachen zunächst ein Tor zum Botschaftsgelände im Stadtteil Tiergarten auf und stürmten dann das Gebäude. "Free Syria" sprühten sie an die Außenwand der Botschaft. In der Hauptstadt holte eine Hundertschaft der Polizei die Demonstranten aus dem Gebäude. Zwei Oppositionelle wurden festgenommen - davon einer, der mit Haftbefehl gesucht wurde.

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In Wien verschafften sich rund 20 Menschen gewaltsam Zutritt zu der syrischen Botschaft, elf Männer wurden vorläufig festgenommen. In Genf protestierten etwa 40 kurdische Syrer bereits am Sonnabendnachmittag vor der syrischen Uno-Mission. Fünf Demonstranten gelang es, in eines der Büros der Mission einzudringen. Sie schwenkten syrische Flaggen und warfen Dokumente aus dem Fenster.

Ziel der Aktionen in Hamburg und den anderen Städten war ein möglichst öffentlichkeitswirksamer Protest gegen den Präsidenten Baschar al-Assad. Der kurdisch-syrische Oppositionspolitiker Meschaal Timo, ein scharfer Kritiker Assads, war am Freitag im Nordosten Syriens von Unbekannten in seiner Wohnung erschossen worden.

"Wir gehen davon aus, dass die Ermordung des Politikers Hintergrund für die Protestaktion in Hamburg war", bestätigte ein Sprecher der Polizei am Sonntag. Zwei 26 Jahre alte, ein 20 und ein 32 Jahre alter Demonstrant seien vorläufig festgenommen worden. "Alle vier haben angegeben, dass sie in Syrien geboren sind", sagte Polizeisprecherin Karina Sadowsky. Einer der Männer wurde bereits gestern wieder entlassen, nachdem geprüft worden war, ob er sich legal in Deutschland aufhält. Bei den anderen drei Demonstranten musste der sogenannte ausländerrechtliche Status noch geprüft werden.

Ob die Sicherheitsvorkehrungen des Honorarkonsulats der Arabischen Republik Syrien in Hamburg nach dem Vorfall am Sonnabend nun verschärft werden, konnte die Polizei nicht sagen. "Der Staatsschutz prüft, ob die Sicherung ausreicht", sagte Sadowsky. Zudem werde das Konsulat vermehrt von Polizeistreifen angefahren. Ob auch für andere Konsulate, wie beispielsweise dem Generalkonsulat der Arabischen Republik Ägypten, dem Honorarkonsulat der Republik Jemen oder dem des Königreichs Marokko eine höhere Sicherheitsstufe in Erwägung gezogen wird, dazu wollte die Polizei keine Angaben machen. Die höchste Sicherheitsstufe besteht beim amerikanischen Generalkonsulat - dieses wird seit den Anschlägen vom 11. September 2001 Tag und Nacht von bewaffneten Sicherheitskräften der Hamburger Polizei bewacht.

Vor dem syrischen Generalkonsulat in der HafenCity waren am Sonntag keine Wachleute stationiert. Stattdessen war der Hausmeister anzutreffen, der versuchte, die Schmierereien von Fassade und Bürgersteig zu entfernen. Von dem Tumult am Abend zuvor zeugten lediglich die kaputten Fensterscheiben.

Trotz des gewaltsamen Eindringens in das Gebäude - in die Räumlichkeiten des Honorarkonsulats im zweiten Obergeschoss waren die Demonstranten nicht gelangt. Sie verwüsteten in erster Linie Räume im Erdgeschoss, in dem sich Baubüros befinden. Zudem hat die HafenCity Hamburg GmbH und die Firma Oceanic Fruits Shipping and Trading GmbH ihren Sitz in der Osakaallee 11.

Geschäftsführer des Unternehmens Oceanic Fruits ist Hani Nasri, der gleichzeitig Honorarkonsul der Arabischen Republik Syrien ist. Die Firma gründete Nasri bereits 1976 in Swasiland. Seit 1992 ist er Honorarkonsul. Für eine Stellungnahme zum Protest der syrischen Regimegegner war Hani Nasi gestern nicht zu erreichen.