32-Jährige ruft Taxi, um sicher nach Hause zu kommen. Doch der Fahrer sperrt sie in den Kofferraum. Die Schreie der Frau alarmieren Anwohner.

Hamburg. Es muss so gegen sieben Uhr gewesen sein, erinnert sich ein Nachbar, als er beim Blick aus dem Fenster Ralf B. entdeckte. Der 57-Jährige stand vor der Haustür des Anwesens in Hasloh, in dem er mit seinem Bruder und dem 81-jährigen Vater lebt, und rauchte. Dabei trug er nur eine Unterhose. Vor der Tür stand das Taxi, mit dem der Mann, der da nun fast nackt stand, seit einiger Zeit etwas Geld verdiente. Der Nachbar ging wieder ins Bett. Warum B. wohl draußen rauchte, fragte er sich. "Der muss doch nicht raus. Der raucht doch sonst auch immer in seiner Wohnung im ersten Stock." Dass im Kofferraum jenes Taxis, auf das Ralf B. rauchend sah, eine Frau lag und um Hilfe schrie, konnte der Nachbar nicht ahnen. Ralf B. sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Er hat gestanden, seinen letzten Fahrgast, die 32-jährige Julia H., überwältigt und für Stunden in das Heck des Wagens gesperrt zu haben. Zum Motiv seiner Tat sagte er nichts. Erst mittags um 12 Uhr hörten Anwohner die Hilfeschreie des Opfers und befreiten es. Julia H. kam traumatisiert und mit Prellungen ins Krankenhaus.

Nach einer langen Nacht auf dem Kiez hatte Julia H. den sicheren Weg wählen wollen und sich für den Heimweg ein Taxi gerufen, dessen Zentrale mit dem Slogan "Auf die nette Tour" wirbt. Mit ihrem Handy wählte sie die 040, dann sechsmal die Sechs. Wenig später hielt Ralf B. am Hamburger Berg. Erst vor Kurzem hatte er bei einem privaten Hamburger Funktaxiunternehmer als Fahrer angeheuert. Julia H. stieg in den neuen, gepflegten Mercedes des Mannes aus Hasloh. Und begann sich schon kurz danach zu wundern, welche Route der Fahrer einschlug. Julia H. stellte den Chauffeur zur Rede. Doch der reagierte ungehalten, begann sogar, seinen Fahrgast zu beschimpfen. Plötzlich, so erinnerte sich Julia H. später, habe der Fahrer angehalten, sie aus dem Auto gerissen, ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzt und sie in den Kofferraum gesperrt.

+++ Entführung im Kofferraum: Taxifahrer ist offenbar Alkoholiker +++

Ralf B. fuhr einfach weiter. Kreuz und quer durch die Stadt, hinein nach Schleswig-Holstein, über die Dörfer, schließlich nach Hause. Dort stellte er den Wagen ab, rauchte noch eine Zigarette und legte sich vermutlich ins Bett. Julia H., die mehrfach per Handy die Polizei angerufen hatte, trotzdem aber nicht geortet werden konnte, schrie immer wieder um Hilfe. Die zahlreichen Blutergüsse, die man an ihrem Körper später fand, lassen den Schluss zu, dass sie panisch versuchte, sich zu befreien.

Ein Rettungswagen brachte sie später weg, Polizeibeamte versuchten, Ralf B. zu befragen. Der stand allerdings so erheblich unter Alkoholeinfluss, dass die Versuche abgebrochen wurden. In späteren Verhören gab der Taxifahrer zu, für die Entführung von Julia H. verantwortlich zu sein. Warum er die Frau in den Kofferraum sperrte, konnte er aber nicht sagen. Einen Alkoholtest lehnte er ab. Ein Haftrichter schickte ihn wegen Fluchtgefahr und der zu erwartenden hohen Strafe in Untersuchungshaft. Zehn Jahre Haft drohen dem Taxifahrer, dessen Familie seit Jahren ein erfolgreiches Baugeschäft in Hasloh führt.

Adriana Haberland, 40, kann kaum begreifen, dass ihr Nachbar zu einer solch kaltblütigen Tat fähig war: "Ralf ist eigentlich ein netter Kerl. Wir sind befreundet", sagt sie. Er habe aber auch jähzornig werden können, wenn man ihn reizte. Seit Mai wohnte Haberland neben Ralf B. Die beiden kannten sich aus einer Norderstedter Taxi-Zentrale, in der die 40-Jährige am Telefon jobbt. Ralf B. allerdings arbeitete zuletzt nicht mehr hier, sondern für einen Unternehmer in Hamburg. Bereits Anfang August war dem geschiedenen 57-Jährigen, dessen Ex-Frau in Berlin lebt, der Führerschein abgenommen worden. Wie auch am frühen Sonntag war er betrunken Auto gefahren. Gudrun Reinke, Sprecherin von Taxi Hamburg, sagt, der Fahrer sei bei der Zentrale noch nicht bekannt gewesen. Taxi Hamburg ist eine sogenannte Funkzentrale, die Verträge mit Taxi-Unternehmern schließt und diese dann mit Aufträgen versorgt. Die Unternehmer wiederum beschäftigen oft eigene Fahrer. Der Unternehmer, der den Mann einstellte, hatte ihn bereits zur obligatorischen Schulung angemeldet. Der Termin hätte in Kürze angestanden. Dem Unternehmer habe B. Unterlagen vorgelegt, die belegen, dass er schon seit Jahren in Berlin und Hamburg Taxi gefahren sei. Nach Angaben des Unternehmers habe B. erst am vergangenen Freitag angefangen, für ihn zu arbeiten. Dass der Mann ein Alkoholproblem habe, sei ihm nicht aufgefallen.

Reinke zeigt sich erschüttert: "So etwas schürt Ängste, ganz klar. Unser Chef ist seit 40 Jahren im Taxigewerbe und wir haben mit Kollegen in ganz Deutschland telefoniert. Keiner konnte sich an einen solchen Fall erinnern."

Um eine reine Kurzschlussreaktion handelte es sich bei der Entführung der 32-Jährigen allerdings nicht. Wie sich später herausstellte, hatte Ralf B. bereits drei Stunden zuvor eine junge Frau gegen ihren Willen in Richtung Norden kutschiert. Victoria W. hatte vom Kiez nach Eilbek gebracht werden wollen, doch Ralf B. hatte keine Anstalten gemacht, sie in die richtige Richtung zu fahren. An einer Ampel, die Rotlicht zeigte, war der 24-Jährigen die Flucht gelungen.