Nach dem friedlichen Schanzenfest kommt es zu Ausschreitungen, die aber relativ glimpflich verlaufen. Rund 2500 Polizisten im Einsatz.

Sternschanze. Der Ärger liegt in der Luft, der Stress kündigt sich an wie ein heraufziehendes Gewitter. Noch lässt die übliche Randale im Anschluss an das von 10.000 Besuchern absolut friedlich gefeierte Schanzenfest aber auf sich warten.

Von der Open-Air-Elektro-Party am Grünen Jäger wehen tiefe Bässe herüber. Bei Hartmut Dudde, der sich mit seinem Polizeizug an der Feldstraße postiert hat, bleibt die Stimmung entspannt, auch nach ersten Meldungen über Kleinfeuer auf dem Schulterblatt. "Ich tippe, dass es noch 45 Minuten dauert. Dann geht's los", sagt der erfahrene Beamte. Da ist es 22.30 Uhr.

Auch sein Kollege Detlef Schötteldreier sieht dem unvermeidlichen Einsatz gelassen entgegen. In 90 Minuten wird er 54 Jahre alt, es gibt gewiss bessere Zeitpunkte, um Geburtstag zu feiern. Mit politischen Ideen, findet er, haben die Krawalle längst nichts mehr zu tun. Vielmehr seien die Ausschreitungen eine Art Happening und die selbst ernannten Aktivisten im Namen einer besseren Welt bloß Hooligans. Rund 2500 Polizisten sind deshalb am Sonnabend im Einsatz, dazu ein Hubschrauber und drei Wasserwerfer, Kostenpunkt: 750.000 Euro.

Bereits im Vorfeld hatte die Polizei das Quartier zum "Gefahrengebiet" erklärt, um 23 Uhr zeigt sich, warum. Vor der Roten Flora haben Randalierer Müllsäcke und einen Müllcontainer angezündet, vier Meter hoch lodern die Flammen, es stinkt nach verbranntem Plastik. Hunderte johlende Menschen haben sich um das Feuer geschart, einige strecken die Faust in die Höhe, skandieren "A.C.A.B. - All Cops are Bastards". Und jubeln, wenn vermummte Gestalten mit Papier, Mülltonnen, Straßenabsperrungen und Bierbänken die Flammen weiter nähren. Doch bei den Bewohnern des Viertels stoßen sie auf Wut und Widerstand. "Haut ab, wir wollen keine Randale", ruft einer - "Fuck you", schallt es zurück. Ein anderer versucht, das riesige Feuer mit einem Eimer Wasser zu löschen - es ist wohl vor allem als Statement zu verstehen.

+++ REPORTAGE AUS DEM SCHANZENVIERTEL +++

Plötzlich ein Knall. "Jetzt zerlegen die auch noch die Sparkasse", ruft eine junge Frau entsetzt. 20 Vermummte machen sich im Eingangsbereich der Bank zu schaffen, versuchen die Tür mit Eisenstangen und einem als Rammbock benutzten Holzbalken aufzubrechen. Erst jetzt, gegen 23.50 Uhr, rücken Polizisten im Hagel von Steinen und Bierflaschen mit drei Wasserwerfern ins Viertel vor. In nur wenigen Minuten sieht die Ausgehmeile aus wie ein Kriegsgebiet, gegen Mitternacht ist das Schulterblatt geräumt, die Lage weitgehend unter Kontrolle. Kurios: Viele Jugendliche, die nicht mehr durch die Polizeiabperrung gelassen werden, vertreiben sich danach auf der Kreuzung Altonaer Straße die Zeit beim Fußballspielen. Die Bilanz der Nacht: 31 Randalierer wurden vorläufig festgenommen, zehn kamen in Polizeigewahrsam, fünf Polizisten wurden leicht verletzt, ein Journalist musste nach einer Attacke für kurze Zeit in die Klinik. Im Vorjahr gab es deutlich mehr Verletzte.

Dass die Ausschreitungen glimpflich abgelaufen sind, sei vor allem der "erfolgreichen und deeskalierenden Polizeitaktik" zu verdanken, sagte Uwe Koßel, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Hoffentlich erkennt der Mob endlich, dass er im Viertel unerwünscht ist", so Koßel.

Schon vor dem Schanzenfest hatte die Polizei vier bekannten Gewalttätern Aufenthaltsverbote erteilt, zudem 60 potenzielle "Gefährder" aufgesucht und gewarnt. Innensenator Michael Neumann (SPD) lobte den Einsatz: Am Sonnabend sei es den Beamten gelungen, mit "einem Mix aus Besonnenheit und konsequentem Eingreifen" größere Eskalationen zu verhindern. Gleichzeitig verurteilte er die Ausschreitungen: "Sachbeschädigungen, Brandlegungen und Steinwürfe auf Polizisten durch eine Minderheit von Krawallmachern sind durch nichts zu rechtfertigen."