Abdul W. hatte ein 15-seitiges Geständnis abgefasst, nachdem er zwei Taxifahrer überfallen hatte, und so den Jugendrichter überrascht.

Bergedorf. Man hätte jemand anderes erwartet, nicht einen jungen Mann, der fürs Abitur büffelt und in London studieren möchte. Nicht diesen akkurat gekleideten Angeklagten mit perfekt getrimmten Bart und anthrazitfarbener Weste überm blauen Hemd.

Der Auftritt überrascht den Bergedorfer Jugendrichter Olof Masch, der meist mit Schulverweigerern und Mehrfach-Gescheiterten zu tun hat. Ein 15-seitiges Geständnis hat Abdul W. abgefasst, nachdem er zwei Taxifahrer überfallen hatte - "fehlerfrei", sagt Masch und klingt beeindruckt.

Einen Diebstahl hat Abdul W., 18, bisher begangen, andere Straftäter haben deutlich mehr auf dem Kerbholz. Doch während die einen ihr kriminelles Konto langsam füllen, stieg Abdul W. mit zwei Raubüberfällen gleich auf höchstem strafrechtlichen Niveau ein. Am 11. Juli lotste er einen Taxifahrer zu einer dunklen Ecke am Pollhof, er hielt ihm eine Schreckschusspistole, die er demonstrativ durchlud, mit den Worten "Geld her oder ich schieße, die Waffe ist entsichert" an den Kopf und erbeutete 250 Euro. Das Geld versenkte Abdul W. prompt in der Spielhölle, bis zu 1000 Euro ließ er dort an manchen Tagen. Am 14. Juli brauchte er Nachschub.

Sein nächstes Opfer, Taxifahrer Helmut K., 58, bedrohte er mit einem Fleischermesser. Den Tränen nahe erzählte der Mann gestern vor Gericht, welche Überwindung es ihn kostete, in die Klinge hineinzufassen, um eine mögliche Attacke abzuwehren. Nun sei er in Therapie. "Als Taxifahrer kann ich nicht mehr arbeiten", sagt er.

Schuldbewusst blickt Abdul W. zu Boden, nickt verständig. Aber hat er verstanden, um was es geht? Nicht so ganz. Kaum verschont von der U-Haft in Hahnöfersand, enttäuschte er in der "jugendgerichtlichen Unterbringung" (JGU) am Hofschläger Weg auf ganzer Linie. Er ignorierte Verbote, brach Regeln, schikanierte Jugendliche. Unfähig, sich in andere hineinzuversetzen, aber bis in die Spitzen narzisstisch, dominierte der schmale Junge die Gruppe. Und hinterließ in der Einrichtung einen Eindruck, den er vor Gericht gern vermeiden würde: den eines aggressiven Halbstarken mit Profilneurose. Selbst nachdem Richter Masch ihm Anfang Januar persönlich die Leviten gelesen hatte, habe er "jede Grenze tolerierbaren Verhaltens" überschritten.

Was soll die Justiz mit ihm machen? Als Erwachsener würde er für drei Jahre ins Gefängnis einfahren - wenigstens. Die Jugendgerichtshilfe plädiert indes für die Anwendung des erzieherischen Jugendstrafrechts. Was anderen Angeklagten häufig fehlt - eine schulische Perspektive -, erspart ihm die Haft. "Wenn wir ihn in Haft nehmen", sagt die Staatsanwältin, "machen wir ihm alles kaputt." Mit "irren Bauchschmerzen" könne sie noch eine positive Bewährungsprognose stellen.

Sein Verteidiger sieht das ähnlich. Er kenne viele Gymnasiasten wie Abdul W. Junge, nicht dumme Leute mit niedriger Hemmschwelle, die wie selbstverständlich davon sprechen, Überfälle zu begehen. "Zurückhaltung müsste ihnen eingepflanzt werden." Bei Abdul W. komme hinzu, dass im Kulturkreis seines afghanischstämmigen Mandanten Vermögensdelikte als verwerflicher angesehen würden als Gewalttaten. "Er schämt sich fürchterlich."

Verschiedene Kulturen hin oder her - "wer hier lebt, ist an die Gesetze gebunden", sagt Richter Masch. "Und wer, wie Sie, seinen Kopf benutzen kann, der muss es auch tun." Er verurteilt ihn zu zwei Jahren Jugendstrafe, in einem halben Jahr entscheidet er abschließend über die Bewährung. Masch will dann persönlich einen Bewährungsplan mit Abdul W. erarbeiten. Mit all den Auflagen und Weisungen, die jungen Straftätern nicht schmecken: Anti-Aggressionstraining, Arbeitsstunden, Therapiesitzungen.