Anhänger des HSV, versuchen St.-Pauli-Fan-Kneipe zu stürmen. Reisten Hooligans aus Belgrad und Glasgow extra an? 45 Festnahmen

St. Pauli. Regennass und hasserfüllt brüllten die Fußballfanatiker ihre Parolen. Sie warfen Steine und Flaschen, bis die Polizei sie festnahm. Am Abend der Absage des mit Spannung erwarteten Stadtderbys zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli randalierten Hunderte Hooligans auf dem Kiez. Anhänger des HSV, die zuvor offenbar von befreundeten ausländischen Vereinen Unterstützung nach Hamburg geholt hatten, versuchten, die St.-Pauli-Fan-Kneipe Jolly Roger an der Budapester Straße zu stürmen. Drei Polizisten und unbeteiligte Passanten wurden verletzt, ein Streifenwagen schwer beschädigt.

Dass sich in der Nacht zum Sonntag lediglich die Wut über die Absage des Spiels entladen habe, glauben Ermittler nicht. Unter den HSV-Anhängern, die sich in der Nacht auf dem Kiez versammelt hatten, befanden sich nach ersten Erkenntnissen auch Hooligangruppen von Roter Stern Belgrad sowie aus Kopenhagen und Glasgow - sie alle werden kaum angereist sein, um das Fußballspiel der Hamburger Klubs zu sehen.

Ab 22 Uhr, 17 Stunden vor dem geplanten Anpfiff, versuchten rund 200 HSV-Anhänger, das Jolly Roger zu stürmen, ein Treffpunkt überzeugter St.-Pauli-Anhänger und in der Vergangenheit häufiger Schauplatz von Zwischenfällen. Polizeibeamte stoppten die Rowdys unter der Flagge des HSV, nachdem es zu massiven handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen war. Nach Angaben aus dem St.-Pauli-Umfeld wurde eine unbeteiligte Frau nahe dem Jolly Roger verletzt. Ihr sollen beide Unterarme gebrochen worden sein.

Um 23.30 Uhr kamen die HSV-Anhänger, die zunächst in mehrere Seitenstraßen geflüchtet waren, auf der Reeperbahn zusammen. Sie griffen mehrmals vermeintliche St.-Pauli-Treffpunkte an, zerstörten Teile der Inneneinrichtung der Kneipen. Einige Kilometer entfernt, an der Osterstraße in Eimsbüttel, warfen Randalierer fast zeitgleich Scheiben einer Bank ein. Gut eine Stunde später kam es zur nächsten Konfrontation auf dem Kiez: "Aus einer etwa 50 Personen starken Gruppe heraus warfen zahlreiche Randalierer Teile eines Baustellengerüsts auf den Streifenwagen Peter 15/4", sagt Polizeisprecherin Christiane Leven. Die Scheiben zersplitterten, der Blaulichtbarren auf dem Dach wurde zerstört. Später versuchten mehrere Täter, den Wagen anzuzünden. Ein Beamter bekämpfte den Brand mit einem Feuerlöscher.

Immerhin: 19 mutmaßliche Tatbeteiligte wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. In der Folge entwickelte sich ein Katz-und-Maus-Spiel auf den Seitenstraßen der Reeperbahn. An der Gerhardstraße warfen Randalierer Flaschen, Steine und Knallkörper auf Beamte. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, räumte die Straße. Ein Mann, der die Polizei selbst mit Pfefferspray attackiert hatte, verschanzte sich in der Herbertstraße. Die Polizei sperrte die Bordellstraße ab, nahm den Täter fest. Bis 2.10 Uhr tauchten immer wieder Gruppen von Randalierern auf - dann war der Spuk beendet. Vier von 554 am Einsatz beteiligten Polizisten wurden verletzt, 45 Männer kamen wegen verschiedener Delikte in Gewahrsam, der Schaden geht in die Hunderttausende.

Auch gestern Abend fuhr die Polizei mit mehreren Mannschaftswagen am Jolly Roger vor, kontrollierte Personalien und bewachte die Kneipe. Gegen 22 Uhr stoppten die Beamten eine Gruppe von rund 40 gewaltbereiten HSV-Sympathisanten, darunter etliche Schotten aus Glasgow, die in Richtung der Kneipe marschiert waren.