Nach einem Streit in Billstedt ringt ein Opfer mit dem Tod. Polizei fahndete mit 52 Streifenwagen nach den Tätern – und war erfolgreich.

Billstedt. Ein falsches Wort - quittiert durch Schüsse aus einer Waffe: In der Asklepios-Klinik Wandsbek kämpft seit dem frühen Sonnabendmorgen der 40-jährige Hasan Ö. um sein Leben. Er hatte, so stellt es sich für die Ermittler der Mordkommission dar, einen Satz gesagt, der einem älteren Gast in der Kneipe Side missfiel. Der Mann fühlte sich beleidigt, rief seinen Sohn. Der erschien mit einem dunklen BMW, drei stämmigen Begleitern und einer Neun-Millimeter-Pistole.

Tatort: eine Café-Bar an der Billstedter Hauptstraße. Ihren Namen verdankt sie, anders als das gleichnamige Nobelhotel in der Innenstadt, der Urlauberhochburg an der türkischen Riviera. Die Gäste, die sich hier aufhalten, sind fast ausnahmslos südeuropäischer Herkunft. Über die Tische hinweg, so berichteten Zeugen, kam es in der Nacht zum Sonnabend zunächst zu einem wortreichen, lautstarken Streit.

Einer der Männer, der ältere, zieht sich schließlich zurück. Allerdings nicht, um nachzugeben oder die Situation zu deeskalieren. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler ruft der Mittfünfziger seinen Sohn Ibrahim S. an und berichtet ihm, er sei aufs Übelste beleidigt worden. Was die Männer genau absprechen, ist bislang nicht bekannt. Aber: Ibrahim S. telefoniert nun seinerseits Begleiter zusammen. In einem dunklen BMW fahren schließlich vier Männer vor der Bar Side vor. Neben Ibrahim S. sitzen der 30-jährige Yusuf B., Murat Ö., 25, und Yilmaz T., 31 Jahre alt. Die Männer betreten den trotz der späten Uhrzeit - es ist bereits nach 2 Uhr - wohl noch immer recht gut gefüllten Laden.

Dann fallen Schüsse: Hasan Ö. bricht zusammen, auch seinen Begleiter Hakki D., 42, reißt es von den Beinen. Kugeln haben sie getroffen. Die Männer im dunklen BMW flüchten, in der Bar wird der Notruf gewählt. Was sich daran anschließt, ist eine der größten Sofortfahndungen, die sich in den vergangenen Jahren auf Hamburgs Straßen abgespielt haben. Zahlreiche Polizeikräfte werden am Tatort zusammengezogen, weitere Polizeibeamte an strategisch günstigen Stellen positioniert. Insgesamt sind 52 Streifenwagenbesatzungen an der Suche nach den Tätern beteiligt.

Und der Aufwand zahlt sich aus. Schon kurz nach der Schießerei entdecken die Beamten das Fluchtfahrzeug in der Wandsbeker Chaussee. Die Täter werden festgenommen. Doch ein Mann fehlt weiterhin: der Hauptverdächtige Ibrahim S. Zur Überraschung der dort tätigen Beamten meldet er sich kurz darauf im Polizeikommissariat 46 in Harburg. Er habe geschossen, gibt der 26-Jährige zu Protokoll. Mehr wolle er zu dieser Angelegenheit nicht sagen. Die Polizeibeamten führen Ibrahim S. einem Haftrichter vor, der beschließt, dass der mutmaßliche Haupttäter in das Untersuchungsgefängnis überführt werden solle.

Hakki D., das 42-jährige Opfer der Schießerei, erlitt einen nicht lebensbedrohlichen Oberschenkeldurchschuss und einen Streifschuss am Knie. Seinen Begleiter traf ein Schuss - der aber richtete schwerste Verletzungen an. Laut Auskunft der Polizei drang die Kugel in die linke Bauchseite des 40-Jährigen, zerfetzte unter anderem die Leber und trat dann an der rechten Bauchseite wieder aus. Der Getroffene verlor große Mengen Blut. Trotz mehrerer Operationen war die akute Lebensgefahr am Sonntagabend noch immer nicht gebannt.

Der Tatort an der Billstedter Hauptstraße wurde für die Spurensicherung gesperrt. Vor Ort befragten die Beamten Zeugen. Auch sie zeigten sich geschockt und vollkommen überrascht von der plötzlichen Eskalation.

Die Bar Side gilt bei der Polizei nicht als auffällig. Sprecher Andreas Schöpflin: "Bislang hatten wir dort noch keine größeren Einsätze." Der Laden sei auch nicht als Treffpunkt von Straftätern oder verdächtigen Kreisen bekannt. Tatsächlich sind auch weder die Opfer noch die Täter je mit den Ermittlungsbehörden in Konflikt geraten. Weder Ibrahim S. noch die drei Männer, die ihn begleiteten, waren bislang polizeibekannt.

Angaben der Zeugen vor Ort sind offenbar widersprüchlich: Zunächst hieß es, es habe sich um einen Streit zwischen Türken und Kurden über die Zustände und die Konflikte in der ehemaligen Heimat gehandelt. Später stellte sich heraus, dass wohl eher persönliche Hintergründe zu der Eskalation geführt hatten. Die Ermittlungen der Mordkommission dauern an.