Eine seit einem Unfall schwerbehinderte Frau wehrt sich gegen einen mutmaßlichen Betrüger, der ihr Vertrauen erschlichen hatte.

Hamburg. Nach eineinhalb Jahren sieht sie ihn vor Gericht wieder. Sie beobachtet den Mann mit den gelockten, silbrig-grauen Haaren und dem Blick eines gewieften Pokerspielers genau. Peter H. verzieht keine Miene. Doch die junge Frau findet ihn "irgendwie unruhig und nervös". Vielleicht ergeht es ihr gerade nicht anders.

"Väterlicher Freund" hatte sie Peter H. genannt, als sie ihm noch vertraute - lange bevor der Vorwurf im Raum stand. Manuela S., 33, ist mehr als nur aufgeregt. "Ich bin unglaublich wütend", sagt sie später vorm Gerichtssaal.

Wütend, weil Peter H. sich ihr Vertrauen erschlichen und sie betrogen habe - so sieht es die junge Frau, das muss Peter H. aber erst einmal nachgewiesen werden. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat der 62-Jährige einen betrügerischen Treuhandvertrag über 100.000 Euro mit ihr geschlossen, das Geld aber nicht wie versprochen angelegt, sondern für sich verwendet. Seit gestern muss er sich vor dem Amtsgericht Barmbek verantworten.

Manuela S. kann den Kopf kaum bewegen, seitdem sie vor elf Jahren auf dem Dom schwer verunglückt ist. Sie lächelt, dabei leidet sie unter chronischen Schmerzen, die nur mit starken Medikamenten in den Griff zu kriegen sind. Sie tippelt mehr, als dass sie geht. Selbst die eingeschränkte Mobilität ist ein Fortschritt nach Jahren im Rollstuhl.

Das Unglück der Jura-Studentin geschieht am 16. April 1999 auf dem Dom. Das "Count Down" ist eines dieser Fahrgeschäfte, die einen wie eine Rakete in den Himmel schießen. Vorm Start schaut sie nach unten, um die Schuhe zu schnüren. Plötzlich schnellt die Plattform mit einem Vielfachen der Erdbeschleunigung hoch. Durch die gewaltigen Fliehkräfte bricht ihr Genick an. Zwei Titanplatten halten seitdem ihren Kopf an der Wirbelsäule. Manuela S. ist zu 100 Prozent behindert.

Acht Jahre lang streitet sie vor Gericht um Schmerzensgeld. Am Ende zahlt ihr die Versicherung Generali 500.000 Euro. 100.000 Euro davon kosten allein der Prozess und Reha-Maßnahmen. Manuela S. weiß: Mit 400.000 kommt sie nicht ewig aus.

Um ihre Zukunft abzusichern, will sie mit dem Schmerzensgeld ein Haus bauen. Eine solide Kapitalanlage, für sich und ihre Eltern. Später, so die Überlegung, würden ihr die Mieteinnahmen ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Im Internet findet Manuela S. eine Immobilie im Toscana-Stil, 154 Quadratmeter groß, beste Lage in Duvenstedt. Der Mann, der das Haus vermittelt, macht einen seriösen Eindruck. Peter H. trägt schicke Anzüge, fährt im BMW zur Baustelle, zeigt ihr Fotos seiner Doppelhaushälfte. Als Baubetreuer ist er oft auf der Baustelle. Manuela S. sieht in ihm bald einen Vertrauten, der sich für ihre Geschichte interessiert und auch selbst Privates preisgibt. Der von einem Ferienhaus in Florida spricht, wo Manuela und ihre Eltern ihn besuchen könnten, und von einem Job in der Immobilienbranche. Manuela S. weiß, dass ihre Behinderung kaum eine Arbeit zulässt. Aus dem Mund von Peter H. klingen Träume fast wie Chancen. "Er hat uns eingelullt", sagt sie heute.

Sie will sich damals eine behindertengerechte Küche für 12.000 Euro zulegen, doch dafür ist kein Geld übrig. Peter H. weiß Rat. "Er schlug mir vor, ich könnte ihm 100.000 Euro geben, die er für einige Monate zu seinem eigenen Vermögen legt. Dafür sollte ich 25.000 Euro Zinsen kriegen." Eine risikofreie Kapitalanlage habe er ihr versprochen. "Er sagte, wenn alles schief laufe, hafte er mit seinem Haus und seinem Auto dafür." Die Staatsanwaltschaft kommt zu einem anderen Schluss. "Nach den Ermittlungen war H. überschuldet, verfügte weder über Haus noch Kraftfahrzeug und verwendete das Geld für eigene Zwecke."

Davon ahnte Manuela S. nichts - im März 2008 unterschrieb sie den Treuhandvertrag, übergab die Summe in bar. Von dem Geld sollte H. auch die Raten an den Bauunternehmer überweisen. "Tatsächlich hat er nur eine Rate in Höhe von 25.000 Euro bedient", sagt Manuela S. Um die Raten zu zahlen, musste sie einen Kredit aufnehmen. Zu allem Überfluss stellte ein Gutachter Baumängel fest, der Bauunternehmer die Arbeiten ein. Ein Jahr lebte die Familie deshalb in einem Ferienhaus - bis zum Einzug ins Eigenheim im Oktober 2009.

Manuela S. will sich nun ihr Geld zurückholen. 75.000 Euro plus die versprochenen 25.000 Euro plus Zinsen. Doch Peter H. wird alle Vorwürfe bestreiten. Gestern vertagte die Richterin den Prozess, weil seine Verteidigung Gelegenheit zur Einsicht in neue Akten bekommen soll. Fortgesetzt wird am 16. Juli. "Ich wünsche mir nur eine sichere Zukunft", sagt Manuela S.