Der Serientäter Khaled C. stiehlt zahlreiche medizinische Geräte in Kliniken. Einige seiner Taten blieben bislang unbemerkt.

Hamburg. Es könnte passieren, dass in Kürze in einem Hamburger Krankenhaus ein Arzt oder ein Assistent nach einem Defibrillator zu greifen versucht und feststellt, dass er nicht mehr da ist. Möglich, dass dann Zeit verstreicht, die kein Arzt der Welt hat, wenn sein Patient reanimiert werden muss. Eine lebensgefährliche Bedrohung für den hilflosen Patienten und eine schlimme Vorstellung für den Arzt und sein Team. Die offenbar nur durch Glück bislang noch nicht Realität geworden ist. In Hamburger Krankenhäusern sind in den vergangenen Monaten zahlreiche hochwertige medizinische Geräte gestohlen worden.

Die Polizei hat den mutmaßlichen Täter in der Nacht zu Donnerstag in Haft genommen und dessen Beute in einer Lagerhalle beschlagnahmt. Allerdings ist die Herkunft der meisten Geräte noch unklar. Das heißt: Das Fehlen der teuren Defibrillatoren, Endoskope oder Ultraschallsonden ist vielfach noch gar nicht bemerkt worden. Auf mehr als eine Million Euro taxiert Kriminalhauptkommissar Ralph Voß, Sachgebietsleiter in der für Intensivtäter zuständigen Zentraldirektion (ZD), 63, den Wert der sichergestellten Waren. Seit 2008, so schätzt der Ermittler, hat Haupttäter Khaled C., 27, mit seinen Helfern Ümit K. und Michael R., beide 28, Diebstähle in namhaften Hamburger Krankenhäusern begangen.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Einige der sichergestellten Gerätschaften konnten den Asklepios-Kliniken in St. Georg und Barmbek sowie dem Marienkrankenhaus zugeordnet werden. Voß: "Wir haben zwölf Diebstahlsfälle, zu denen wir auch die Beutestücke haben. Allein in diesen Fällen beträgt der Warenwert 200 000 bis 300 000 Euro." Hinzu kommen unzählige Geräte, von denen noch unklar ist, wann und wo sie geklaut wurden. Zum Abtransport der sichergestellten Apparate brauchte die Polizei zwei Transporter.

Dass es sich bei den Taten um eine Serie handelt, blieb lange unentdeckt. Zumindest bis zum April 2010, als die auf Intensivtäter spezialisierte Zentraldirektion einen Hinweis darauf erhielt, dass der ihnen als Räuber, Einbrecher, Taschen- und Gelegenheitsdieb altbekannte Khaled C. auch im großen Stil medizinische Geräte klauen würde. Die Ermittler sprachen mit Ärzten und Schwestern, sichteten die Akten sämtlicher Diebstahlsfälle in Kliniken. Stück für Stück erschloss sich den Beamten das augenscheinlich florierende Geschäftsprinzip des Khaled C.

Der 27-Jährige ging adrett gekleidet und mit einem Rollkoffer in die jeweilige Klinik. Seine Begleiter folgten im sicheren Abstand. Wie selbstverständlich betrat C. Operationssäle und Behandlungsräume und räumte dort technische Spezialgeräte ab. Wenn er vom Personal angesprochen wurde, präsentierte er schlüssige Ausreden und verschwand schnurstracks. Doch das passierte wohl eher selten. Meist verließ er die Klinik unbemerkt und mit teuren Beutestücken. Mal waren es hochempfindliche 4-D-Ultraschallgeräte, mal Defibrillatoren, mal Endoskope zur Magen- oder Darmspiegelung oder auch ein Kaffeevollautomat aus der Lobby oder Babywaagen.

Dabei überließ er es offenbar nicht dem Zufall, was er klaute: Einer der Hauptabnehmer des Serientäters ist nach Polizeiermittlungen ein tunesischer Klinikarzt, der genaue Aufträge nach Hamburg übermittelte. Andere Gerätschaften soll Khaled C. an einen Mittelsmann in Rellingen zur Weiterveräußerung übergeben haben. Dort lagerte auch die Beute. Den Transport der Ware soll Khaled C.s Vater Ameur C. organisiert haben. Vermutlich sandte er die teure Ware in Postpaketen in seine alte Heimat. Die Erkenntnis, dass C. seine Beute in Tunesien absetzt, ist auch dem offenbar funktionierenden Kontrollsystem einiger Medizingerätehersteller zu verdanken. Als Kliniken und niedergelassene Ärzte die Apparate in Tunesien zur Kontrolle abgaben, stellten die dortigen Mitarbeiter fest, dass sie eigentlich in Hamburger Kliniken stehen sollten - ein weiteres Puzzlestück für die Ermittler.

Khaled C. wohnt wie seine Komplizen in Rothenburgsort. Auch sein ein Jahr älterer Komplize Ümit K. ist bei der Polizei als Intensivtäter gelistet. Beide, vor allem aber C., stahlen nicht nur medizinisches Gerät. Auch auf Messen und in Hotels soll er mit seinem selbstbewussten Auftreten und dem "Frechheit siegt"-Prinzip immer wieder Beute gemacht haben. Dort trat er hinter Verkaufsstände und Tresen, kabelte ab, was ihm klauenswert erschien.

Die Polizei sucht noch nach Geschädigten, denen medizinische Geräte fehlen. Betroffene Ärzte, Schwestern oder Klinikchefs sollten die Telefonnummer 428 65 67 89 anrufen.