Der Polizei reicht's. Der Personalrat lehnt Schwerpunkteinsätze gegen die Brandstifter ab und fordert Verstärkung aus anderen Ländern.

Hamburg. Akten können nicht mehr bearbeitet werden, Vernehmungen werden verschoben: Der Polizei reicht's. Der Personalrat hat gestern eine Fortführung der nächtlichen Einsätze gegen die Autobrandstifter abgelehnt. Begründung für den ungewöhnlichen Vorgang: Die Arbeitsbelastung ist zu hoch. Die Polizei ist offenbar am Ende ihrer Kräfte. Zwar wird die "Besondere Ablauforganisation (BAO) Florian" - unter diesem Titel läuft der allnächtliche Einsatz von 200 Beamten - vorläufig weitergehen. Aber Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) ist nun gezwungen, innerhalb von zwei Wochen die Schlichtungsstelle anzurufen. Dort muss eine einvernehmliche Lösung her. Und die könnte teuer werden. Der Personalrat fordert bereits, "für einen längerfristigen Zeitraum auswärtige Einheiten im Hamburger Stadtgebiet einzusetzen". Das heißt im Klartext: Hamburg soll sich Polizisten in anderen Bundesländern ausleihen.

+++ Polizei beklagt Großeinsatz: „Belastungsgrenze überschritten" +++

Das Abendblatt hatte am Dienstag über die Überstundenbelastung der Polizei berichtet. Bei der Sitzung des 25-köpfigen Personalrats, die gestern um 9 Uhr begann, war der Artikel Pflichtlektüre. Mehr als 800.000 Überstunden schieben die Polizisten vor sich her - schon seit mehr als vier Jahren. Und: Ein Abbau dieses gewaltigen Bergs ist nicht in Sicht. Zwar wurden im Mai eine Million Euro bewilligt, um Überstunden zu bezahlen. Allerdings reicht das nur für etwa 60.000 Stunden. Dabei hat die Polizei allein im Mai unter anderem wegen "Florian" rund 150.000 neue Überstunden aufgebaut.

Diese Situation hat gestern im Personalrat dazu geführt, dass eine Art Brandbrief verabschiedet wurde. Darin heißt es unter anderem: "Im Streifendienst kommt es in der zeitlichen Aufarbeitung von Einsätzen zu beachtlichen Zeitverzögerungen. Die Kollegen im Kriminalermittlungsdienst und in den Verkehrsabteilungen, aber auch in anderen Bereichen der Polizei werden im Regelfall zwei Tage aus ihrem Alltagsauftrag herausgenommen. Dies führt dazu, dass Akten nicht oder nur schleppend bearbeitet werden. Vernehmungen werden verschoben, und mögliche Fristen könnten verstreichen. Das Alltagsgeschäft leidet erheblich." Freie Tage sind für Polizisten kaum noch zu bekommen: "Freiwünsche können weder kurz- noch langfristig mehr gewährleistet werden."

Seit dem 20. April gibt es die Kommission "Florian". Ziel: Die Beamten sollen diejenigen schnappen, die nachts immer wieder Autos in Brand setzen. Bislang ist allerdings nichts erreicht worden. Anfangs waren nachts 13 Funkstreifenwagen und drei Züge der Landesbereitschaftspolizei unterwegs, seit dem 11. Mai sind es vier Züge, 23 Funkstreifenwagen, 20 zivile Wagen und der Polizeihubschrauber. Hinzu kommt die Führungsgruppe des jeweils zuständigen Polizeikommissariats.

Laut Personalrat mussten dabei auch Leute Dienst tun, "die bereits jetzt 560 Überstunden vor sich herschieben". Außerdem fehlen die Streifenwagen, die für "Florian" eingesetzt werden, in den Polizeiwachen. Die personelle Notlage hat nach Informationen des Abendblatts auch schon dazu geführt, das nachts Beamte aus den Werkstätten, vom zentralen Personaldienst und sogar aus dem Cuxhavener Revier der Hamburger Wasserschutzpolizei auf Brandstifterjagd gegangen sind. Wie geht es jetzt weiter? Wenn es in der Schlichtungsstelle nicht zu einer Einigung zwischen Personalrat und Innensenator kommen sollte, muss die Einigungsstelle entscheiden. Dort hat ein "Einiger" das letzte Wort - etwa ein angesehener Politiker oder Richter. Er muss dann festlegen, wie die Überstunden abgebaut werden.

Die Innenbehörde kommentierte das Veto des Personalrats gestern wie folgt: "Es ist natürlich unbestritten, dass auch die Polizei momentan durch besondere Einsätze wie rund um den 1. Mai oder auch bei der Jagd nach den Autobrandstiftern personell sehr stark gefordert ist. Die Behördenleitung geht davon aus, dass sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung für die Menschen in unserer Stadt bewusst sind", sagte Behördensprecher Thomas Butter.

Diese Verantwortung sehen auch die Polizeigewerkschaften. "Aber der bisherige Lösungsweg, immer mehr Überstunden zu machen, ist nicht akzeptabel", sagt der DPolG-Chef Joachim Lenders. Die Forderung des Gewerkschafters: "Wir müssen mindestens eine Hundertschaft aus einem Nachbarland ausleihen."