Mindestens 14 Beamte in zwei Nächten von Randalierern verletzt. Aufgebot von mehr als 2000 Einsatzkräften verhindert größere Ausschreitungen.

Hamburg. Melanie Mein hatte das Schlimmste befürchtet: brennende Barrikaden, splitternde Scheiben, Gefechte zwischen Randalierern und Polizeibeamten. Denn solche Szenen hat die 26-Jährige, die von ihrem Balkon aus direkt auf die Straße Schulterblatt blicken kann, in den Walpurgisnächten der vergangenen Jahre schon häufig beobachtet. "Aber dieses Mal verlief die Demonstration erstaunlich friedlich", sagt die junge Frau, die seit sechs Jahren in der Juliusstraße lebt. "Ich bin positiv überrascht, dass es keine Riesenkrawalle gegeben hat."

Die Stimmung sei sehr gelassen, und die Menschen seien entspannt gewesen. "Nur ein paar Jugendliche waren auf Randale aus und haben vor meiner Haustür ein Dixi-Klo umgeschmissen", sagt Melanie Mein, die diese Aktion als eher harmlos beurteilt. "Die Polizei hatte alles gut im Griff."

In der Tat zeigte die Taktik der Polizei Wirkung. Mit einem Großaufgebot von 2300 Beamten sowie mehreren Wasserwerfern war sie im Schanzenviertel. Komplett verhindern ließen sich die Ausschreitungen allerdings nicht. Eine Demonstration für den Erhalt der Roten Flora, die vom Schanzenviertel nach Altona führte, geriet zeitweise außer Kontrolle. Von den 4000 Teilnehmern wurden etwa 1200 als gewaltbereit eingestuft. Während des Marsches zündeten sie einen Wagen der Bundeswehr auf St. Pauli an und bewarfen das Bernhard-Nocht-Institut mit Steinen. An der Ikea-Baustelle in Altona rissen Randalierer den Bauzaun auf etwa 30 Metern ein und bewarfen Polizisten mit Böllern. Dort kam es zu ersten Festnahmen. Beamte wurden verletzt. Nachdem die Demonstration aufgelöst worden war, registrierte die Polizei, dass mehrere Kleingruppen in Altona und Ottensen Müllcontainer ansteckten oder Autos beschädigten, darunter auch einen Peterwagen.

Gewaltbereite Teilnehmer machten sich auf den Weg ins Schanzenviertel. Doch das war an diesem Abend unter der Kontrolle der Polizei. Deshalb suchten sich die Krawallmacher andere Ziele aus. So schmissen sie etwa 35 Scheiben am Bezirksamt Eimsbüttel ein, warfen Steine auf das Restaurant Riverkasematten an der St. Pauli Hafenstraße. Gegen 2.45 Uhr entspannte sich die Lage. Dennoch lautete die Bilanz der ersten Nacht: 13 verletzte Beamte, einer von ihnen erlitt ein Knalltrauma, rund 80 Festnahmen und Ingewahrsamnahmen. Innensenator Michael Neumann (SPD) verurteilte die Übergriffe. "Es ist durch nichts zu rechtfertigen, dass es auch in diesem Jahr wieder zu gewalttätigen Aktionen gekommen ist." Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, forderte in diesem Zusammenhang eine "schnelle und harte Verurteilung" der Gewalttäter. Dieser Forderung schloss sich Kai Voet van Vormizeele, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, an. Und André Schulz, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, verwies darauf, dass "Gewalt kein Mittel politischer Auseinandersetzung" sei.

Auch am Sonntagabend war die Polizei mit mehr als 2000 Beamten und mehreren Wasserwerfern im Einsatz. Bei einer "revolutionären" 1.-Mai-Demonstration wurde mindestens eine Polizistin verletzt. Ein Böller habe sie getroffen, sagte ein Polizeisprecher. Es seien 20 Menschen fest- und 20 weitere in Gewahrsam genommen worden. Der Zug war mit mehr als 2000 Demonstranten, vor allem Anhänger der linken Szene, zunächst friedlich in Altona gestartet. Auf dem Weg ins Schanzenviertel wurde die Lage angespannter. Auch Flaschen wurden auf Polizeibeamte geworfen, es kam zu Rangeleien. Die Polizei setzte an der Altonaer Straße Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Die Versammlung wurde vorzeitig aufgelöst. Am S-Bahnhof Sternschanze brannte ein Müllcontainer.

Auch in Berlin kam es gestern Abend bei der sogenannten Revolutionären 1.-Mai-Demonstration mit mehr als 9000 Teilnehmern, an der auch die ehemalige RAF-Terroristin Inge Viett teilnahm, zu Gewaltausbrüchen. Es flogen Flaschen, Steine und Feuerwerkskörper in Richtung der 6000 Polizisten. 58 Randalierer wurden festgenommen.