Sind meine Gene so schlecht? Tina Wolf erzählt in ihrem Buch „Mit zwei Pampelmusen auf den Himalaya“ wie es ist, nicht schwanger zu werden.

Rahlstedt. Wie ist es, schwanger zu sein? Wie ist es, das neugeborene Baby im Kreißsaal nach der Geburt in den Armen zu halten, gemeinsam mit dem Partner? Immer wieder kreisen ihre Gedanken um dieses Gefühl. Der Autorin und ehemaligen NDR-Moderatorin Tina Wolf geht es wie jeder zehnten Frau: Sie wird nicht schwanger, weder auf natürlichem Weg noch durch künstliche Befruchtung. Jahrelang klappt es nicht. „Für mich war es eine Tatsache, dass ich mal Kinder bekommen werde. Umso überraschender, dass es eben nicht einfach passierte“, sagt die 40-Jährige beim Kaffee in ihrer Wohnküche in der Rahlstedter Jugendstilvilla.

Wer Tina Wolf kennt, weiß, dass sie sagt, was sie denkt. Schnörkellos und sympathisch schnodderig spricht sie auch darüber, wie es ist, jeden Monat wieder auf Schwangerschaftsanzeichen zu achten, nur um dann mit dem Einsetzen der Monatsblutung wieder enttäuscht zu werden. Wie negative Schwangerschaftstests aus einer Frau ein Nervenbündel, aber keine Mutter machen, hat sie in ihrem Roman „Mit zwei Pampelmusen auf den Himalaya“ nun aufgegriffen.

Erster Gedanke: Alles klar, sie verarbeitet in dem Roman um Lisa, die die Pille absetzt und schwanger werden will, ihr Trauma des unerfüllten Kinderwunsches. Denn genau wie bei Tina Wolf tut sich auch bei Lisa nichts, der Weg in die Kinderwunschpraxis folgt, ebenso ein Gefühlschaos, ausgelöst durch Hormonspritzen und der monatlichen Trauer und Wut, dass es wieder nicht geklappt hat mit der Schwangerschaft. Doch der erste Gedanke täuscht wohl: „Ich habe das nicht geschrieben, um irgendetwas zu verarbeiten. Das kann ich nicht mehr hören“, sagt Tina Wolf. Eher sei es so, dass sie Antennen habe für skurrile Situationen, für Komik in der Tragik. Das musste einfach mal raus. „Oft dachte ich, hier muss irgendwo eine versteckte Kamera sein.“

Zum Beispiel in dieser Hamburger Kinderwunschklinik: „Ich hatte klassische Musik im OP bei der Punktion, während mein Mann im Nebenraum Filmchen guckte, die ihn animieren sollten. Also mit Frauen, die deutlich mehr Oberweite haben als ich. Darüber kann man doch nur noch lachen.“ Während Tina Wolf im OP im Gynäkologenstuhl liegt und bereit ist, sich per Mikroinjektion einzelne Spermien ihres Mannes in mehrere reife Eizellen spritzen zu lassen, sagt ihr behandelnder Frauenarzt: „Boah! Ihre Eierstöcke sind groß wie Pampelmusen!“ Im Buch heißt es, die Behandlung sei vergleichbar mit dem Aufstieg zum Himalaja.

„Was passiert, wenn nichts passiert.“ Das ist das Thema des Buches und auch Tina Wolfs Thema. Damals in Ottensen – dem „Mekka der Gebärenden“ wie sie sagt –, als es mit dem Kinderwunsch begann und nicht klappte, sah sie um sich herum nur Schwangere. „Als Frau mit Kinderwunsch ist das schlimm. Du bist doch als Frau geboren, aber wenn ich nicht schwanger werde, hätte ich doch als Kerl geboren sein können.“ Solche Gedanken haben sie immer wieder beschäftigt. Und da ist wieder dieser Schalk: „Du kannst kommen! Ich bin bereit für dich! Auch Fruchtbarkeitstänze haben nicht geholfen“, sagt sie. Und lacht. Humor auch aus Selbstschutz.

Nach einem Jahr, in dem es auf natürlichem Weg nicht funktioniert hat, lassen sich Tina Wolf und ihr Mann untersuchen. Ohne Ergebnis. Sex nach Plan war die Folge. Kündigte sich ein Eisprung an, musste ihr Ehemann auch schon mal einen Flieger zu einem Geschäftstermin sausen lassen oder nach Schwerin fahren, wo die Journalistin beim NDR-Landesfunkhaus Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet hat. Und dann fragte ihre Frauenärztin: „Wie geht es Ihrem Mann eigentlich dabei?“

Da fühlte sie sich wie vor den Kopf geschlagen, sie habe keine Ahnung gehabt, sich nur mit sich selbst beschäftigt. Das hat sie aufgerüttelt. Die beiden sprechen miteinander: „Er stand immer hinter allem, war voll dabei.“ Auch als es Tina Wolf durch die Prozeduren mehrerer künstlicher Befruchtungen und der damit verbundenen Einnahme von Hormonen schlecht ging. Sie hatte Depressionen, war am Tiefpunkt. Körperlich, vor allem aber psychisch. „Was ist an mir falsch? Sind meine Gene so schlecht? Ist es besser, dass ich mich nicht vermehre?“, hat sie sich gefragt. Fast wörtlich fragt sich das auch ihre Romanfigur. Und Tina Wolf ist wütend auf diesen einen Frauenarzt in der Kinderwunschklinik, der mit ihren Gefühlen und ihren Hoffnungen spielte und zu ihr sagte, er mache sie jetzt schwanger. Über ein Schreiben der Krankenkasse, dass drei Versuche gestattet und übernommen werden, habe er sich aufgeregt und gesagt: „Ich versuche hier nichts! Die immer mit ihren Versuchen! Ich mache Sie schwanger.“ Er habe ihr Hoffnungen gemacht, die er nicht erfüllen konnte. Tina Wolf: „Das ist menschenverachtend, und das nehme ich ihm übel.“ Sie wechselte die Klinik.

Gegen künstliche Befruchtung habe sie sich lange gesperrt, das sei ein Graben gewesen, über den sie nie springen wollte. Und es dann doch getan hat. Wenn wieder klar war, dass sie nicht schwanger ist, habe sie geweint. „Du nimmst Anlauf, springst über diesen Riesengraben und landest doch im Matsch“, beschreibt sie diese Erfahrungen. Etliche Termine in Kinderwunschpraxen stehen an. „Als berufstätiger Mensch ist das zeitlich kaum zu schaffen.“ Purer Stress. Seit mehr als zwölf Jahren arbeitet sie beim Fernsehen. Nachrichten über tote Kinder, über Mütter, die ihre toten Kinder auf Dachböden verstecken, über misshandelte Kinder, sind in dieser Zeit kaum zu ertragen. „Und dann sitzen da in der Tagesklinik Teenager neben dir, die abtreiben wollen und du möchtest sie packen und ihnen Geld bieten, damit sie es nicht tun.“ Gefühlsachterbahn. „Ich würde alles tun, um ein Kind zu kriegen, und die schmeißen ihre Kinder weg. Das ist unbegreiflich“, sagt sie und könnte wieder weinen.

Auch heute noch geht ihr so etwas extrem nah, obwohl Tina Wolf dann doch noch Mutter eines Jungen geworden ist. Der Weg dorthin war allerdings ein schwerer.

„Mit zwei Pampelmusen auf den Himalaya“, Heyne-Verlag, 8,99 Euro. Lesung: 15. Mai, 19.30 Uhr, bei Stories, Straßenbahnring 17