Schauspielerin und Sängerin Anneke Schwabe spielt die Hauptrolle im „S1“-Musical im St. Pauli Theater. Auch im Fernsehen ist die Mutter eines kleinen Sohnes zu sehen. Am 16. Dezember zum Beispiel.

St. Pauli. Im Augenblick hat sie zwei Jobs: Singend sucht Anneke Schwabe in der Hamburger S-Bahn ihr Lebensglück – im Musical „Linie S1“. Privat hat sie es gefunden, da ist sie in jeder freien Minute Mutter. Sohn Carlo, sieben Monate, „ganz klein noch“, und ihr Ehemann, der Schriftsteller, Kabarettist und Musiker Toni Mahoni kommen immer von der Spree mit an die Elbe, wenn Anneke Schwabe im St. Pauli Theater in der weiblichen Hauptrolle als Blankeneser Reederstochter Luna versucht, ihr leicht chaotisches Leben in den Griff zu bekommen.

Sie erzählt: „Jetzt bin ich Mutter, 35 Jahre alt, und spiele eine 25-Jährige, die nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anstellen soll.“ Wie schafft sie das? „Ich denke einfach daran, wie ich vorher war.“ Wie denn? „Ich war komplett vogelfrei, bin viel gereist. Und jetzt ist da Verantwortung, ich fühle mich erwachsener. Ich spüre plötzlich ganz viel Empathie für Menschen und Schicksale.“

Als Powerfrau wird Anneke Schwabe gern besetzt. Besonders vor der Kamera. So wie in dem Fernsehfilm „Beste Bescherung“, der am 16. Dezember im ZDF läuft. „Da bin ich wieder das total verrückte Künstlerding mit dem hübschen Silberblick.“ Den fand sie früher total unangenehm. „Ich hab ihn auch nur, wenn ich aufgeregt bin oder müde. Und aufgeregt bin ich nun mal, wenn ich spiele. Aber dann kamen Komplimente und bei ‚Cabaret‘ der Vergleich mit Liza Minnelli – ich weiß nicht warum, aber die Leute mögen das.“

Sie kann auch anders: Die Penthesilea, Heinrich von Kleists männermordende Amazonenkönigin, hat sie schon mit 16 gespielt. „Das ist heute noch so eine Rolle von meiner Traumliste …“ Wie wurde sie eigentlich Schauspielerin? Anneke Schwabe kramt sich bis in ihre Kindheit zurück nach Celle, wo sie 1978 zur Welt kam. „Ich hab mich früher schon gern verkleidet und gespielt.“ Die Mutter war Musiklehrerin, der Vater arbeitete bei der Gewerkschaft. Anneke Schwabe spielt Klavier und tanzt, es wird viel Musik gemacht. Eine Tante nimmt sie mit ins Celler Schlosstheater, der Anfang ihrer lebenslangen Begeisterung. „Ich mochte den Theaterduft und wollte wissen, was hinter dem Vorhang passiert.“

Herausgefunden hat sie es bei einigen Praktika. Das Theater ist ihr Ort, wo alles, was sie mag, zusammenkommt. „Ich hatte das Gefühl: Da ist mein Ventil, da kann alles raus.“ Bald spielt sie in einem Jugendtheaterclub mit. Penthesilea. Nach dem Fachabitur probiert sie sich aus. „Ich bin in Berlin herumgedümpelt, war dann Au-pair in Kapstadt, vier Jahre nach dem Ende der Apartheid. Hab’ später in einer Bar gearbeitet.“ Südafrika ist ein Herzensort für sie geblieben. Zurück in Deutschland besucht sie die berühmte Falckenberg-Schauspielschule in München. „Ich habe schon früher viel beobachtet in der Bahn oder wo ich gerade war, Gespräche aufgesogen, sie im Kopf bewegt. Das war dann mein Schatz, als es in der Schauspielschule darum ging, mich einzugraben in Figuren und Charaktere.“

Sprechtheater will sie machen, die Klassiker, bedeutende Rollen, Worte kauen. Gleich nach der Ausbildung bekommt sie ein Angebot in Frankfurt, ein Stück von Sarah Kane. Sie wird für einen Wittenbrink-Liederabend engagiert, geht bald mit Mario Adorf auf Tour. Fernsehen, Filme kommen dazu – es läuft gut für Anneke Schwabe. Ensemble? „Nur kurz. Ich wollte immer andere Wege gehen.“ Nur dem St. Pauli Theater ist sie lange freundschaftlich verbunden. „Das ist hier so persönlich. Dieses alte kleine Theater, die Enge, das hat was ganz Kuscheliges, Liebevolles.“ Hier spielt sie interessante Rollen: die Sally Bowles in „Cabaret“, eine Tochter vom Milchmann Tevje in „Anatevka“, in Horvaths „Ein Fräulein wird verkauft“, im Wittenbrink-Abend „Lust“. Und sie spielt den Eineinhalb-Stunden-Monolog „Gilgi“ nach Irmgard Keun. „Ein Herzensprojekt. Aber auch ein gewaltiger Brocken Text.“

Träume für die Zukunft? „Komplexere, zweigesichtige Figuren. Ich bin so an der Kante zwischen den Mädchen und richtigen Frauen – so Lady-Milford-mäßig.“ Die Mätresse des Herzogs aus Schillers „Kabale und Liebe“? „Ja, gern mal eine richtige Frau. Eine, die einen dramatischen Bogen hat, wo man richtig reingehen und spielen kann.“

Ein Projekt, das derzeit brachliegt, ist ihre Musikgruppe Kina Minze. „Kina kommt von meiner Urgroßmutter, der Schwester des Revolutionärs Kropotkin. Dieser Kropotkina hab ich das ‚Kina‘ geklaut. Die Minze kam irgendwie dazu.“ Da singt sie Lieder nach eigenen Texten, so wie sie früher schon mit ihrer Schwester Nina aufgetreten ist. „Das muss erst mal warten“, Carlo geht vor.

Sie hat in „Notruf Hafenkante“ gespielt, im „Großstadtrevier“, sie hat in Hamburg gelebt, bevor sie vor vier Jahren nach Berlin ging. Heimweh? „Nö. Hamburg ist zwar eine Perle. Und Berlin ein bisschen böse, aber da sind meine Freunde, da kann ich frei sein. Außerdem ist mein Mann Ur-Berliner. Den kann ich da nicht rausreißen“, sagt Anneke Schwabe.

„Ich habe jetzt eben zwei Herzen in der Brust – eines für Berlin und eines für Hamburg.“