Ehemaliger Uni-Präsident Peter Fischer-Appelt wird 80 und hat nicht vor, sich Ruhe zu gönnen. Noch heute lehrt er systematische Theologie.

Hamburg. Etwa 20 Augenpaare starren in einer Mischung aus Interesse und Skepsis auf den alten Herren, der da eben mitten in das Tutorium "Ältere deutsche Literatur" geplatzt ist. "Ein Teil meines Herzens weint und der andere lacht", sagt er. Schließlich war der Seminarraum 21 Jahre lang sein Amtszimmer. Vor den Studierenden steht Peter Fischer-Appelt - Präsident der Universität Hamburg von 1970 bis 1991. Da ist ein kleiner Rundgang durch den ehemaligen Präsidentenflügel im Hauptgebäude quasi Pflicht vor einem Interview.

Am Sonntag feiert Fischer-Appelt seinen 80. Geburtstag. "Aber ich war nie in Pension", sagt er, dessen Nachname heute viele mit seinen beiden Söhnen, die eine gleichnamige Agentur führen, verbinden. Noch heute lehrt er systematische Theologie. Zudem erscheint in der Reihe Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte nun sein Buch "Die Universität als Kunstwerk". Fischer-Appelt begreift Studierende, Dozenten, Verwaltung und all die anderen Menschen rund um die Hochschule als Körperschaft, die diese gestaltet. Selbst der unauffälligste Student hinterlässt seine Spuren. "Allein durch die Art, wie er sich im Seminar einbringt", sagt Fischer-Appelt. Und er selbst?

"Jeder, der 20 Jahre in dieser Position ist, hinterlässt zahlreiche Spuren", sagt der 79-Jährige. Für ihn habe es vier zentrale Punkte gegeben: Demokratie an der Universität, die Aufarbeitung der Hochschulgeschichte mit besonderem Augenmerk auf die Zeit des Nationalsozialismus, Verständigung in Europa besonders auch in Richtung Osten und die Expansion der Uni. So zählte die Hochschule, als Fischer-Appelt sein Amt antrat, 18 600 Studierende, 1991 waren es 42 600.

Über seine Nachfolger und deren Wirken richtet der Theologe nicht. "Das Amt ist so schwierig, dass man jeden ehren muss, der es ausfüllt", sagt er. Es falle ihm nicht schwer, diesen Teil seines Lebens hinter sich zu lassen. "Alles hat seine Zeit." Ist er ein Optimist. "Ja", antwortet er und nickt zur Betonung. Eine Einstellungssache, die seiner Meinung nach jedem offensteht. "Jedem, der sich zutraut, etwas zu gestalten." Womit wir wieder beim Kunstwerk wären. Und wie ernst Fischer-Appelt seine These meint, dass jeder die Universität verändert, beweist eine kleine Anekdote. "Ich war der erste Präsident, der eine silberne Medaille für außergewöhnliche Verdienste an der Hochschule an einen Hausmeister vergeben hat", sagt Fischer-Appelt. Es sei wichtig, dass Mitarbeiter spüren, dass ihr Vorgesetzter hinter ihnen steht und sich in ihre Belange einfühlt.

Und noch etwas: "Schach ist eine gute Voraussetzung für gute Amtsführung - weil man lernt vorauszudenken." Schon seit dem Jugendalter ist Fischer-Appelt leidenschaftlicher Spieler. Dabei war dafür gar nicht so viel Zeit. "Ich habe viel Verantwortung für mich selbst, meine Geschwister und meine ganze Familie übernehmen müssen, als mein Vater zunächst nicht aus dem Krieg heimkehrte", sagt der älteste von vier Brüdern. Fischer-Appelt scherzt gerne, dass er lange geglaubt habe, in seiner Familie kämen nur Jungs zur Welt. Auch die beiden ersten Kinder von ihm und seiner Frau Hildegard waren männlich. "Ab dann kam Dorothee", erzählt Fischer-Appelt. "Das rührt mich wie damals." Das Glück war komplett. Mittlerweile ist er Großvater von acht Enkelkindern. Zwei kommen nun eine ganze Woche zu Besuch. Und dann macht auch ein ehemaliger Universitätspräsident dasselbe wie jeder andere Opa: spazieren, Zoo, Geschichten vorlesen. Einer dieser Großväter, der den süßen Kleinen alles erlaubt? "Alles nicht", sagt er. Sie seien zwar ganz liberal, aber manchmal tue es Kindern ganz gut, ein bisschen Einsicht zu erlernen. Natürlich nach langen Argumentationen des Für und Widers von zu vielen Süßigkeiten und Zu-Bett-geh-Zeiten.

"Ich kämpfe für Vernunft und Demokratie", sagt Fischer-Appelt. "Und für ein bisschen mehr Leichtigkeit." Braucht er nicht mal etwas Ruhe? "Das ist keine Kategorie, ob ich was brauche." Da sei er Pflichtmensch. Trotzdem erkenne er sein Limit. "Die eigenen Grenzen sollte man nicht überschreiten. Aber man kann sie ausweiten."