Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt engagiert sich ehrenamtlich für Theater und Oper. Der 61-Jährige hat zudem ein Talent fürs Praktische.

Hamburg. "Als ich im Januar 2002 Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd wurde, sagte mir jemand mit etwas Timbre in der Stimme: 'Jetzt sind Sie der Reeder vom Ballindamm.' Ich hab erwidert: 'Ich bin der Vorstandsvorsitzende eines guten Transportunternehmens, das Schifffahrt betreibt.'" Michael Behrendt, 61, weiß, wie man hanseatisches Unterstatement zelebriert. Das hat dem Schifffahrtsmanager geholfen, in den guten Zeiten der Linienschifffahrt nicht abzuheben, und es hilft ihm jetzt auch, die aktuelle Krise mit Contenance durchzustehen.

Gerade wurde der zweite Quartalsbericht veröffentlicht. Die Faktenlage lässt sich als Anlass zu vorsichtiger Hoffnung interpretieren. Michael Behrendt, der bis Mitte 2014 verlängert hat und von Mitte 2015 an den Aufsichtsrat des Unternehmens führen soll, wirkt gut gelaunt und optimistisch beim Gespräch im vierten Stock der Unternehmenszentrale am Ballindamm.

"Unser Geschäft wird auch in Zukunft ein gutes Geschäft sein. Globalisierung geht nicht ohne Schifffahrt. Aber das Transportgeschäft ist sicher nicht einfach." Das hatte ihm schon sein Vater mit auf den Weg gegeben. Er stammte wie die Mutter aus Danzig und war Geschäftsführer einer mittelständischen Spedition, 500 Mitarbeiter. "Geh bloß nicht ins Transportwesen, mach was Anständiges", warnt er den Sohn. Michael Behrendt, Jahrgang 1951, wächst in Wandsbek auf. Macht 1970 Abitur am altsprachlichen Kirchenpauer-Gymnasium, das 1987 im Gymnasium Hamm aufging. Sieht sich eineinhalb Jahre in einer Im- und Exportfirma um, bevor er in Hamburg Jura studiert. "Das war immer als Einstieg in eine praktische Tätigkeit gedacht." Praktika macht er in Boston und New York, bevor er ab 1979 Zivildienst leistet.

Da kann er sein Talent fürs Praktische voll einsetzen, er baut für die Winterhuder Matthäusgemeinde deren Studienfahrten-Programm (kunstforum matthäus) mit auf. Eine Idee dahinter: Sich um Alleinstehende zu kümmern, die nach dem Berufsleben plötzlich Einsamkeit spüren. Bald ist er auch im Kirchenvorstand und in der Synode. "Es war eine erfüllte Zeit, die mir sehr gut getan hat." Von 1985 an arbeitet Behrendt für die Vereinigte Tanklager und Transportmittel GmbH (VTG), Rechtsabteilung. Nach kurzer Zeit wird er zuständig für Tankläger. "Dazu hatte ich zwar keine große Beziehung, aber wie sagte mein ehemaliger Chef?: Irgendwann findet man Tankläger erotisch." Nach ein paar Wochen nimmt ihn Klaus-Jürgen Juhnke, der VTG-Vorstandschef, unter seine Fittiche. Er, der an derselben Schule Abitur gemacht hatte, ermöglicht dem jungen Mann mit dem blendenden Aussehen und der klaren Stimme, der man zutraut, sich durchzusetzen, eine Zusatzausbildung. Behrendt hospitiert ein Jahr lang im Ausland in Tochtergesellschaften und befreundeten Unternehmen.

1994 wird er Geschäftsführer, 1999 Vorstandsvorsitzender der VTG-Lehnkering AG. Wie hat er das geschafft? "Führungsfähigkeit, Ehrgeiz. Immer anständig bleiben. Ich mag keine Ellbogentypen. Wer weiterkommen will, muss bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, auch für unangenehme Entscheidungen."

Die VTG gehört damals wie Hapag-Lloyd zur Preussag, Behrendt wird 1999 auch Hapag-Lloyd-Vorstand, und 2002 schließlich Vorstandsvorsitzender am Ballindamm. Da hat er so bedeutende Vorgänger wie Albert Ballin oder Wilhelm Cuno, der 1922 sogar Reichskanzler wurde. Die lange Tradition der Hapag-Lloyd, die knapp 7000 Mitarbeiter an 300 Standorten in 114 Ländern, die 147 Schiffe ihrer Flotte, der Rückkauf der Firmenzentrale - das alles berührt ihn. Er kämpft für das Unternehmen, so wie bei dem langwierigen Übergang an das Hamburger Konsortium "Albert Ballin" mit Klaus-Michael Kühne und der Stadt Hamburg. Behrendt wirkt bei allem, was er tut, grundoptimistisch.

Sein frohes Naturell? "Ich bin", sagt er und lacht, "lieber froh als unfroh. Unterm Strich habe ich gern eine positive Grundstimmung." Sein Rezept dafür? "Klingt ein bisschen altmodisch. Ich bin mit mir selbst im Reinen. Natürlich berühren mich Probleme. Aber ich weiß auch, wann ich alles getan habe, was ich tun konnte." Er hat viele Ruhepunkte. Die Familie - seine Frau Cornelia, Deutschlehrerin und Schulleiterin an einer Privatschule bis zur Geburt des Sohnes. 1978 hat er sie bei Freunden kennengelernt. Sein Sohn hat vor zwei Jahren Abitur gemacht, auch Zivildienst, absolviert eine Lehre bei der Deutschen Bank. Die Tochter hat gerade ihren Abschluss in Oxford gemacht.

"Entspannen kann ich mich auch beim Laufen morgens um die Alster. Ich bin ein bisschen laufsüchtig, ein Tag mit ist besser als ein Tag ohne." Wer ihn deshalb für einen Getriebenen hält, liegt falsch. "Mein Allerschönstes ist es, an einem Sommersonnabend auf der Terrasse mittags einen Rosé zu trinken, einen Salat zu essen und dann unterm Apfelbaum zu schlafen." Handy aus? "Meine Frau würde jetzt lachen. Ich neige wie alle dazu, dass ich immer mal gucke, ob da nicht eine Mail gekommen ist. Da bin ich leider Sklave." Behrendt liebt Spaziergänge mit der Familie und mit Parson Jack Russell Emmi, gern auch am eigenen Haus auf Eiderstedt.

Er war mal beim Rennstall Blankenese an Pferden beteiligt. "Wer hat schon eine Beteiligung an zwei Derby-Siegern? Momentan ruht das. Man darf das Glück nicht zu sehr herausfordern."

Und dann ist da noch der Kulturmensch. Er ist in der Staatsoper (da sitzt er auch im Aufsichtsrat), im Ballett (seine Frau unterstützt den Freundeskreis des Ballettzentrums, auch das Klingende Museum, die Hamburger Symphoniker und das Mamma-Zentrum am Krankenhaus Jerusalem), im St.-Pauli-Theater (da ist er für die Hapag-Lloyd-Stiftung Vorstand im Förderverein). "Das ist pure Entspannung." Wie die Kultur in sein Leben kam? "Auch durch meine Frau, durch gemeinsame kulturelle Erlebnisse. Ich bin nicht von zu Hause so geprägt, war aber schon in der Schulzeit gern im Theater. Außerdem sorgt Kultur dafür, dass ich keinen Tunnelblick bekomme."

Mit der Hapag-Lloyd-Stiftung fördert er Ballett-Eleven, das Junge Forum der Musikhochschule und die Ausbildung von Restauratoren für Museen, die Arbeit der Elbphilharmonie in der Zeit ohne Elbphilharmonie. Und sorgt für die Verbreitung der wichtigen Wahrheit: "An Kultur, auch an die Elbphilharmonie, darf man nicht unter Renditegesichtspunkten rangehen. Sie ist ein Zeichen für Hamburg. Langfristig wird sich das rechnen."