Modestudenten der HAW präsentieren heute auf der Schau “Poly X“ ihre Kollektionen. Zwei von ihnen im Gespräch über heute und morgen.

Hohenfelde. Der weiße Bau direkt am Kanal wirkt verwaist. Keine Schritte, die durch die Flure hallen. An der Tür des Pförtnerzimmers hängt nur ein Schild mit einer Rufnummer für den Notfall. Klar, es sind Semesterferien. Und das ist der Außenstelle der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) auch anzumerken. Nur in ein paar Räumen im ersten Stock herrscht Aufregung. Hier bereiten Studierende und Absolventen der Modeklasse von Prof. Viktoria Greiter die Modenschau "Poly X" vor, die heute Abend in den Deichtorhallen stattfindet.

Mit dabei sind Ninja Walther, 29, und Sandra Fulbrecht, 26. Beide sind jung, kreativ und anspruchsvoll. Allerdings hat Walther das Modedesign-Studium an der HAW bereits im Oktober 2011 abgeschlossen, Fulbrecht wird voraussichtlich erst im Herbst des nächsten Jahres fertig. Die eine ist also schon im realen Berufsalltag, die andere befindet sich noch in der freien Kreativwelt des Studiums. Ein Gespräch unter potenziellen Modedesignerinnen von morgen.

+++ Enno von Ruffin: Glamour in Gummistiefeln +++

"Ich hatte vor der Präsentation meiner ersten Kollektion echt Angst", sagt Walther, die ihre praktische Diplomarbeit "Distortions" (Verzerrungen) auf der Schau heute noch mal zeigt. "Wovor denn?", fragt Fulbrecht. "Dass es nicht gefällt", lautet die Antwort. Aber es gefiel - auch Walther selbst. Die Musik, die Models, der Laufsteg, das Publikum. "Das was so ein enorm emotionaler Moment für mich", sagt sie, und dabei ist ihr noch immer die Begeisterung anzumerken. "Es fügt sich einfach alles zusammen."

Fulbrecht ist gespannt, wie sie reagieren wird. Für sie ist die Modenschau heute Abend die erste. Acht Karten hat sie für Familie und Freunde bestellt. "Ich weiß nicht, ob ich emotional werde", sagt sie. "Aber ich glaube es eher nicht." Auch Sorgen mache sie sich kaum. "Dafür hatte ich bisher noch gar keine Zeit." Zwei bis sechs Stunden schlief die Winterhuderin in den vergangenen Nächten. Es gibt immer noch mal was zu ändern und zu überdenken. "Man will sich ja auch selbst zufriedenstellen", sagt Fulbrecht. "Manchmal stresst man sich zu sehr wegen seines eigenen Anspruchs."

Ein Gefühl, das auch Walther kennt. "Aber ich bin inzwischen gelassener geworden als etwa als Erstsemester", sagt sie. Oft habe sie gedacht, sie schaffe das alles nicht. Die Abgabefristen, die Prüfungen, die Idee vom Kopf auf die Puppe zu bringen. "Aber irgendwie bekommt man es ja dann doch immer hin." Ähnlich wie mit dem Abitur, das den meisten nach den ersten Prüfungen im Studium wie ein Klacks vorkommt. Aber auch wenn Walther sich selbst nun weniger Stress macht, der Anspruch hat wenig eingebüßt. "Hier an der Hochschule arbeiten wir ja auf sehr hohem Niveau", sagt sie. Es gehe nicht darum, modische Kleider zu entwerfen, sondern Kunst zum Anziehen.

Aber nach dem Abschluss kommt die Realität. Von irgendwas muss schließlich die Miete bezahlt werden. "Vielleicht hatte ich mir das etwas leichter vorgestellt", sagt Walther. "Das ist ein sehr umkämpfter Markt."

Trotzdem wählt sie genau aus, wo sie sich bewirbt. Sommershirts für Kaufhausketten können warten. Der eigene Anspruch eben. "Erst mal will ich als Designerin arbeiten." Derzeit macht Walther ein bezahltes Praktikum als Kostümbildnerin beim Film. Zudem probiert sie sich als Stylistin und arbeitete für eine Modeagentur. "Ich bin noch immer etwas in dieser kreativen Selbstfindungsphase und finde das unheimlich spannend."

An die Zukunft will Sandra Fulbrecht noch gar nicht denken. "Ich finde es wichtig, komplett im Jetzt zu sein", sagt sie, die bereits als ausgebildete Schneiderin gearbeitet hat. "Ich genieße gerade total diese Studentenphase. Es gibt so viele Möglichkeiten." Modesoziologie, -beratung oder -journalismus etwa. Durch Praktika will sie herausfinden, wie es überall "läuft" und wo ihr Platz ist. Sie probiert sich aus. "Die Sachen, die ich nun entworfen habe, sind so komplett nicht gerade alltagstauglich." Fulbrecht weiß die Freiheit zu schätzen. "Mir ist bewusst, dass ich in der Wirtschaft nicht so arbeiten kann wie hier", sagt sie. Aber das sind die Sorgen von morgen. Heute muss die Modenschau gut werden.

Poly X beginnt heute um 19.30 Uhr in den Deichtorhallen. Der Laufsteg befindet sich unter der hängenden Installation Horizon Field Hamburg von Antony Gormley. Karten gibt es für 15 Euro an der Abendkasse (ermäßigt 13 Euro) und tagsüber direkt in der Hochschule an der Armgartstraße 24, Raum 206.