Katrin Stangenberg ist Juristin und Unternehmensberaterin. Als Porzellanhändlerin kann sie auch ihre andere Seite ausleben.

Neustadt. Wenn sie beim Reden hin und wieder mit den Händen gestikuliert, klirrt es leise. Die Porzellan- und Naturperlen ihrer Armbänder schlagen dann aneinander. Die weiß-blauen Kugeln baumeln auch ein Stück weiter oben an ihren Ohrläppchen. "Sind die nicht zu groß?", fragt Katrin Stangenberg, Gründerin des Unternehmens Paliang, und wirkt trotz ihrer souveränen Ausstrahlung für wenige Sekunden unsicher. "Nein, sie passen sehr gut", antwortet eine Mitarbeiterin.

2010 wagte die promovierte Juristin und Unternehmensberaterin einen Neustart: Sie gründete Paliang, ein Unternehmen, das traditionelles chinesisches Porzellan in moderner Form nach Hamburg bringt. Im Oktober kommt die dritte Kollektion auf den Markt. "Ich bin fasziniert von der Weichheit und zugleich Härte des Materials", sagt die 49-Jährige. Eine Eigenschaft, die auch auf sie zutrifft? "Das wird zumindest über mich gesagt. Einerseits stark und zäh und andererseits hochgradig zerbrechlich."

Neben dem Werkstoff begeistert Stangenberg auch die Exotik der Ferne. Gefertigt werden ihre Kollektionen in Jingdezhen. Fünfmal war sie in diesem Jahr bereits da. Die Regierung dort hat ihr eine persönliche Assistentin zur Seite gestellt. "Die sehen, dass ich neue Trends aufspüre", sagt Stangenberg. Etwa die Kombination von glänzendem und mattem Porzellan oder Muster aus Kupfer. "Man muss sich daran gewöhnen, dass sobald man da mit jemanden zusammenarbeitet, auch ausspioniert wird." Aber nicht nur das war neu für sie. "Es läuft viel über die Person. Wenn jemand unsympathisch ist, kommt auch kein Geschäft zustande." Und die Dinge ziehen sich in die Länge. Manchmal sitzt Stangenberg mehrere Stunden im startbereiten Flugzeug, das aber wegen des überforderten Netzes nicht loskommt. Und dann muss erst mal in Ruhe Mittag gegessen werden - alles andere wäre unhöflich. "Und ich denk dann nur 'Zeit ist Geld. Du willst hier doch was bewegen.' Ich bin sehr zielgerichtet." Aber nach einigen Tagen komme sie meist auch innerlich an und gewöhnt sich an die Verhältnisse. Aus der sonst so ungeduldigen Frau werde eine gelassenere. "Was ich gerade erlebe, ist ein wichtiger Schritt für meine Persönlichkeit."

Schon als Kind entdeckte die Enkelin einer hanseatischen Reederfamilie fremde Länder. Ihr Vater nahm sie als Kapitän eines großen Containerschiffs mit auf Reisen. Kanada, Norwegen, Amerika. Mit ihrer Schwester spielte sie auf den Gängen, erkundete den Maschinenraum oder besuchte den Schiffskoch. Langeweile kam nicht auf. "Ich mag die Ruhe auf dem Wasser", sagt die Winterhuderin. "Das hat etwas Meditatives." Das Beste waren aber die Häfen bei Nacht. "Da spürte ich die weite Welt wirklich." Auch wenn sie heute manchmal nachts in Flughafenhallen sitzt, kommt dieses Gefühl wieder auf.

Mit Beginn der Pubertät ist mit den langen Reisen mit Papa Schluss. "Es gab damals für mich nur Schule und Schwimmen", sagt sie. Mit 16 Jahren hörte sie mit dem Leistungssport auf. "Ich dachte, es gibt doch noch etwas anderes im Leben." Sie bestand ihr Abitur - mit Note eins - und machte ein Praktikum im Krankenhaus. Aber die Gerüche dort schlossen ein Medizinstudium aus. Also schrieb sie sich für BWL ein. Die ersten Vorlesungen demotivierten sie. Jura war da schon spannender. Sie wechselt, zieht das Studium durch, forscht in London, schreibt ihre Doktorarbeit innerhalb eines Jahres. "Ich wollte alles zu Ende machen", sagt sie. Anders als ihre familiäre Prägung es erwarten lässt, tourt sie nicht mit dem Rucksack durch die Welt - wie andere Studenten es tun. "Die Zeit habe ich mir nicht gegönnt", sagt sie. Bereuen tue sie das nicht, sie haben Europa in der Zeit durch kurze Reisen "abgehakt". Privates gibt Stangenberg kaum preis. Sie hat weder Mann noch Kinder. Es hat einfach nie gepasst, und sie ist keine Frau für Kompromisse.

2002 trifft sie einen Entschluss: "Ich habe mir vorgenommen, bis 50 das zu machen, was ich mir aufgrund meiner Ausbildung aufgebaut habe, und danach etwas, das mehr meiner Passion entspricht." Denn Stangenberg hat zu Schulzeiten nicht nur Leistungskurs Mathe, sondern auch Kunst belegt.

Nach ihrem bodenständigen Studium folgten Weiterbildungsstudien zu zeitgenössischer Kunst. Stangenberg ist Vorstandsmitglied des Vereins Freunde der Hamburger Kunsthalle. Viele Talente sind nicht immer von Vorteil. "Ich stell es mir leichter und toll vor, wenn man in der Hinsicht einen geraden Weg gehen kann", sagt sie. Auch wenn ihre rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse Basis für Paliang seien. Doch das Interesse an Kunst war immer da. "Vielleicht habe ich mir das nicht so erlaubt", sagt sie. Nicht nur in Sachen Weltoffenheit wurde sie vom Vater geprägt. "Unsere Familie kommt aus Ostpreußen", sagt sie erklärend. "Er war strikt und streng."

2006 war Stangenberg das erste Mal in Shanghai. Seitdem ist es ihre Lieblingsstadt im Ausland. "Es ist diese Mischung aus Leichtigkeit und Dynamik", sagt sie. Im Pool auf einem Hoteldach kam dieses Gefühl. "Ich dachte, hier muss ich was aufziehen." Natürlich habe sie auch Zweifel gehabt. "Ich bin nicht der Typ Mensch ohne Zweifel. So einfach bin ich leider nicht."