Für Box-Weltmeister Wladimir Klitschko spielen Songs eine überraschend große Rolle. Nicht nur als Koproduzent des Musicals “Rocky“.

Hamburg. "Das hat einfach perfekt gepasst", sagt Boxer Wladimir Klitschko und schnippt wie zur Betonung mit den Fingern. Er meint das Lied "Can't stop" - seine Einlaufmusik vor Kämpfen. Der 36-Jährige hat sich auf die vordere Kante des großen Sessels in Form eines Boxhandschuhs gesetzt, den Oberkörper nach vorne gebeugt. Er spricht mit Nachdruck. Es geht hier schließlich auch um ein wichtiges Thema: Musik. Denn die spielt im Leben des Profiboxers eine überraschend große Rolle.

Am 18. November feiert das Musical "Rocky" im Operettenhaus am Spielbudenplatz Weltpremiere. Die Klitschko-Brüder sind neben Ur-Rocky Sylvester Stallone Koproduzenten. Wladimirs Lieblingssong aus dem Stück? ",Eye Of The Tiger' - ganz klar", sagt er, das Auge des Tigers, und beginnt, den Liedanfang zu summen. "Da bekomme ich einfach Gänsehaut, stehe auf und muss etwas tun." Der Song ist schon lange Teil der Titelliste, die er beim Training hört. "Als Motivation gehört Musik dazu."

Mit 14 Jahren fing Klitschko mit dem Gitarrespielen an. Später folgte das Schlagzeug. Passend für einen Profiboxer. "Das ist echt schwer", sagt er. "Beide Arme und Beine müssen ja im Rhythmus sein." Klar, dass er es auch als Konsument eher rockig mag, zum Beispiel die amerikanischen Bands Red Hot Chili Peppers und Foo Fighters.

Vor gut sieben Jahren lösten deshalb die "Chilischoten" auch Tina Turners "Simply the Best" als Einlaufmusik ab. Die Botschaft des Songs "Can't stop" - frei übersetzt "kann nicht aufhören" - ist eindeutig. "Und dann das Schlagzeug und die Gitarre am Anfang", sagt Klitschko. "Das ist einfach perfekt." Dabei nimmt er die Einlaufmusik selbst gar nicht wahr, da er im Kopf bereits beim bevorstehenden Kampf ist.

2006 kam es zu einem Moment, der selbst den Dreifachweltmeister umhaute. Er hatte gerade gegen Chris Byard gewonnen und wurde IBF-Weltmeister. Ein paar Tage später gaben die Red Hot Chili Peppers ein Konzert in den Fliegenden Bauten. Klitschko saß im Publikum. "Und plötzlich sagt Anthony Kiedis, der Sänger und Texter, meinen Namen und gratuliert mir zum Sieg", sagt der Zwei-Meter-Mann. Noch immer ist ihm der Stolz über die Ehrung anzumerken. Sportler und Musiker trafen sich später hinter der Bühne - es war das erste von vielen Treffen.

Das vorerst letzte gab es Anfang Juli dieses Jahres. Am 7. Juli boxt Klitschko in Bern gegen Tony Thompson. Ein paar Tage zuvor spielt die Band im selben Stadion. Sie fragt Klitschko, ob er "Can't stop" singen würde. "Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Angsthase bin", sagt der Boxer, der sich sonst ganz stark zeigt. Aber ein ausverkauftes Stadion ist ihm dann doch zu viel. Er sagt ab. "Da muss ich noch etwas üben." Und wer diesen Satz aus seinem Mund hört, glaubt ihm, dass er diesen Auftritt wirklich noch irgendwann geben wird.

Klitschko singt auch gern mal Karaoke und hat mit seinem Bruder zum Spaß bereits ein selbst komponiertes Lied aufgenommen - doch bei aller Musikalität: Popstar wollte er nie werden. "Ich habe nie geträumt, irgendwas zu sein", sagt er. "Ich habe immer das nachgemacht, was mein Bruder werden wollte." Die Liste reichte von Pilot bis Astronaut. "Aber oft passiert alles ganz automatisch." Und nun boxt er.

Obwohl ja auch das etwas von Popstar hat. Der Boxring als Bühne. Publikum gibt es auch. "Es ist fast ein bisschen wie eine Rolle im Theater", sagt Klitschko. "Ich bin so, wie ich jetzt hier sitze, auch nicht der Boxer, der dann später im Ring steht."

Um eines beneidet er Musiker: Sie können ihre Kunst häufiger zeigen. "Nach einem Kampf ist das wie nach einer Achterbahnfahrt", sagt Klitschko. "Man ist voller Adrenalin und denkt nur: noch mal!" Mit zunehmender Zeit zwischen zwei Kämpfen steige die Nervosität. "Es steht ja nicht nur der Titel auf dem Spiel, sondern oft auch ein ganzes Jahr harte Arbeit." Es wäre schöner, bereits nach zwei Monaten wieder zu kämpfen.

In den musikalischen Ring - wie nun die Koproduktion des Musicals "Rocky" - stieg er in seinem Leben schon öfter. 2009 spielte Klitschko sogar als tanzender Cowboy in einem Musikvideo mit. "Part Of Me" hieß das R&B-lastige Lied von Chris Cornell mit Timbaland. "Beides gute Musiker, die ich bereits kannte." Also sagte er dem Produzenten zu, im Video mitzuwirken. "Ich habe spontan ein bisschen getanzt", sagt Klitschko, der im Jugendalter eine Zeit lang Breakdance betrieben hat. "Und das wurde dann reingeschnitten." Das Tanzen liege ihm, auch wenn er keine Standardschritte beherrsche. Eines fehlt aber noch zur perfekten Musik-Vita. "Mein Traum ist es, in einer Band zu spielen", sagt Klitschko. "Nicht vor Publikum, nur so zum Spaß für uns." Und - seiner Theorie nach - für die Gesundheit. "Musik hält physisch und geistig fit. Man muss sich ja nur mal ansehen, in welcher Form Sting und Mick Jagger sind."