Nummer 78 ist zu klein. Nummer 79 fehlen die Modelmaße. Das sieht Sandy Meyer-Wölden schon von Weitem, senkt sie doch nach einem kurzen Blick den Kopf Richtung Fingernägel.

Natürlich stöckelt das Mädchen trotzdem auf den Tisch der Jury zu. Meyer-Wölden blickt skeptisch unter ihrer schwarzen Hutkrempe hervor, schüttelt dann mit Sekundenlächeln die Hand der Bewerberin für den "Elite Model Look Germany 2009". Gesucht wird ein Nachwuchsmodel. Ihre Funktion erschließt sich nicht gleich jedem: "Wer ist denn die Blondine da vorn?", fragt ein Vater, dessen Tochter angemeldet ist. Da hat wohl jemand nicht mitgelitten, als Bobbele sie abservierte. Hat noch nichts über ihre Erfolge als Schmuckdesignerin gelesen. "Sagt die eigentlich auch mal was?", murmelt ein anderer Zuschauer. Sicher, aber eben nach dem Motto "weniger ist mehr". So sind Halbsätze wie "Haare aus dem Gesicht", "zu klein" und "schönes Bild" zu verstehen.

Seit zwei Stunden sitzt Frau Neu-Pocher im Wandsbek Quarree, 100 Mädchen wollen sich ihrem erfahrenen Urteil stellen. Meyer-Wölden selbst ist vom Fach, stand für den Modekatalog Bonprix vor der Kamera und lief für die Designer Talbot Runhof. Doch dieser Jury-Job, der hat aber auch Nachteile, immerzu muss sie Hände schütteln. Gut, dass unter ihrem Tisch Desinfektionstücher bereitstehen. Standesgemäß wird sie allzeit von ihrem Adlatus in schwarzem Anzug flankiert. Gekonnt und regungslos hält dieser Meyer-Wöldens Stepptasche, Brille und Kapuzenjacke. Nur den Hut, den trägt sie ganz allein.